Änderung der Immobilienbewertung: Was man jetzt wissen sollte

Immobilie zu vererben? Ab dem 1. Januar ändern sich die Berechnungsmodelle zur Wertermittlung. Foto: Florian Schuh/dpa-tmn




Ab dem kommenden Jahr sollen Immobilien im Falle einer Schenkung oder eines Erbes näher am Marktwert bemessen werden. Das könnte in vielen Fällen zu höherer Steuerbelastung führen. Was also tun?


Wer eine Immobilie erbt oder geschenkt bekommt, muss darauf in der Regel Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen. Weil der Wert vieler Immobilien aufgrund geänderter Bewertungsverfahren ab dem kommenden Jahr ansteigen dürfte, fällt auch die Steuerlast in vielen Fällen größer aus. Nur: Was genau ändert sich? Und warum überhaupt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.


Was ändert sich bei der Immobilienbewertung bei Schenkung und Vererbung?

Für die steuerliche Bewertung einer Immobilie gibt es im Wesentlichen drei Verfahren: das Sachwert-, das Ertragswert- und das Vergleichswertverfahren. Bei zwei der drei Verfahren ändern sich bestimmte Rechengrößen zuungunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Im Sachwertverfahren ändert sich der sogenannte Sachwertfaktor – eine Kennzahl, die den baulichen Wert einer Immobilie an tatsächlich zu erzielende Verkaufserlöse in der jeweiligen Region angleicht. Das betrifft laut Sibylle Barent vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland vor allem Einfamilienhäuser und selbst genutzte Eigentumswohnungen.

Im Ertragswertverfahren werden der sogenannte Liegenschaftszins – eine Art Prognose für die Wertentwicklung einer Immobilie am jeweiligen Standort – und die abziehbaren Bewirtschaftungskosten, wozu etwa Instandhaltungskosten gehören, angepasst. Davon betroffen sind laut Barent vor allem vermietete Immobilien.

Eingeführt wird zudem ein neuer Regionalfaktor, der Unterschiede zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau eines zu bewertenden Objekts abbilden soll.

Ebenfalls neu: Die Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Gebäudearten – insbesondere Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungseigentum – soll von 70 auf 80 Jahre erhöht werden, sagt Claudia Kalina-Kerschbaum, Geschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer. Auch das führt zu höheren Immobilienwerten.


Warum wird die Immobilienbewertung überhaupt geändert?

„Der Gesetzgeber setzt jetzt bereits länger zurückliegende verfassungsgerichtliche Vorgaben um“, sagt Sibylle Barent. Ziel ist es, die Bewertung von Immobilien bundesweit zu vereinheitlichen und die Werte marktgerechter zu ermitteln.


Ab wann greifen die Änderungen?

Die Änderungen treten – die Zustimmung der Länder vorausgesetzt – zum 1. Januar 2023 in Kraft.


Warum führen die Änderungen bei der Immobilienbewertung zu höherer Steuerbelastung?

Viele Immobilienwerte steigen durch die Änderungen in den Bewertungsverfahren in Zukunft an. Der Wert einer Immobilie dient als Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die damit automatisch mit ansteigt. Weil steuerliche Freibeträge gleichzeitig unverändert bleiben, fällt die Steuerbelastung für Erben und Beschenkte höher aus.


Was sollten Eigentümer und Bedachte jetzt wissen?

Die Änderungen bei den Bewertungsverfahren führt nicht zwangsläufig dazu, dass Erben und Beschenkte ab 2023 Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen müssen. „Werden die persönlichen Freibeträge auch nach der neuen Bewertung nicht überschritten, haben die geplanten Änderungen keine Auswirkung“, sagt Claudia Kalina-Kerschbaum.

Außerdem bleibt Betroffenen noch immer die Möglichkeit der Bewertung nach dem unveränderten Vergleichswertverfahren. Hierbei wird der Wert eines Grundstücks aus Verkehrswerten abgeleitet, die örtlich zuständige Gutachterausschüsse aus Verkäufen vergleichbarer Grundstücke ermittelt haben. Das geht der Geschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer zufolge etwa für Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Teileigentum. Das Manko: „Das Vergleichswertverfahren kann nur dann angewendet werden, wenn auch entsprechende Daten vorliegen.“

„Auch die Möglichkeit, den Wert der Immobilie mittels Gutachten nachzuweisen, bleibt bestehen“, sagt Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler. Ein zuständiger Gutachterausschuss oder Sachverständiger könnte darin tatsächlich niedrigere Verkehrswerte feststellen. „Hier sind die Finanzämter aber zunehmend kritisch“, schränkt Sibylle Barent ein.


Welche anderen Möglichkeiten gibt es, der möglicherweise anwachsenden Steuerlast im kommenden Jahr zu entkommen?

„Hatten Eigentümer und Bedachte ohnehin vor, eine Immobilie zu übertragen, könnte es sinnvoll sein, das noch in diesem Jahr zu erledigen“, sagt Claudia Kalina-Kerschbaum. Vor übereilten Übertragungen, nur um eine höhere Bewertung zu verhindern, warnt sie aber ausdrücklich. „Denn eine solche komplexe und mit nachhaltigen Folgen verbundene Entscheidung sollte gut durchdacht werden.“ Wer die Übertragung später rückgängig machen wolle, müsse dafür tief in die Tasche greifen.

Grundsätzlich können Immobilienbesitzer bei der Schenkung auch die Freibeträge ausnutzen, die je nach Verwandtschaftsgrad unterschiedlich hoch ausfallen. Kinder beispielsweise können von Elternteilen alle zehn Jahre mit bis zu 400.000 Euro steuerfrei bedacht werden. „Wenn beiden Elternteilen die Immobilie gehört, kann jeder Elternteil zum Beispiel seinen Anteil bis 400.000 Euro alle zehn Jahre steuerfrei übertragen“, sagt Claudia Karbe-Geßler.

Übersteigt der Wert der Immobilie die jeweiligen Freibeträge, kann das Objekt nach und nach übertragen werden. Dann allerdings sollten Betroffene lange im Voraus planen, weil die Freibeträge nur alle zehn Jahre ausgeschöpft werden können.

Gut zu wissen: Geht es im Erbfall zum Beispiel um das Elternhaus, können Kinder von einer Steuerbefreiung profitieren, wenn sie selbst einziehen. Das geht aber nur bei Immobilien, deren Wohnfläche höchstens 200 Quadratmeter bemisst. Außerdem müssen Erben mindestens zehn Jahre im Objekt wohnen. (dpa)