„Altstadthaisl“ Speyer: Wertschätzung alter Substanz

1978 wurde das "Altstadthaisl" von 18 Stammtischbrüdern gekauft und umgebaut. Damit mehr Tageslicht in den Raum gelangt, wurde ein Glasgiebel eingebaut.

1978 wurde das "Altstadthaisl" von 18 Stammtischbrüdern gekauft und umgebaut. Damit mehr Tageslicht in den Raum gelangt, wurde ein Glasgiebel eingebaut.  Foto: Bräunling

 

VON STEPHANIE BRÄUNLING

Vor mehr als  40 Jahren war das „Altstadthaisl“ das erste Anwesen in der Speyerer Hasenpfuhlstraße, das umfassend restauriert wurde. 18 Stammtischbrüder hatten es gekauft mit dem Ziel, es für sich zum Vereinslokal umzubauen, aber auch kleineren kulturellen Veranstaltungen sowie Künstlern für Ausstellungen Raum zu geben. Dem Anreiz, zu restaurieren sind andere gefolgt und haben damit zur Steigerung der Attraktivität des in der Altstadt liegenden Gebiets Hasenpfuhl beigetragen.

Sie haben eine neue Bleibe für ihren Stammtisch gesucht. Eine eigene. Nicht mehr im Wirtshaus. Durch Zufall haben die jungen Männer, die sich seit ihrer Schulzeit kannten und gemeinsam Fußball spielten, davon erfahren, dass im  Hasenpfuhl ein kleines Häuschen zum Verkauf steht. „Lange haben wir darüber ,dischbediert‘, welche Möglichkeiten es dafür gibt“, erinnert sich Manfred Steiner.

Er ist einer der 18 Männer, die sich daraufhin dazu entschlossen, den Verein „Altstadthaisl“ zu gründen, das Häuschen zu kaufen und umzubauen. „Weil der Hasenpfuhl damals keinen guten Ruf hatte, wollten wir auch gleichzeitig noch etwas für die Stadt tun“, erzählt Alfred Boltz, ebenfalls seit der Gründung dabei. „Unser Ziel war es, ein Beispiel dafür zu geben, dass man die Substanz der teilweise maroden Häuser der Altstadt erhalten kann.“ Restaurieren statt abreißen, das war die Devise. Darüber hinaus sollte das zukünftige Domizil auch kulturellen Zwecken dienen.

„Das Alter des Häuschens können wir nur eingrenzen“, erzählt die jetzige Präsidentin des Vereins, Sabine Balles. Einige Informationen habe man in den Speyerer Archiven dazu gefunden. Daraus konnte man ableiten, dass es frühestens ab 1716, jedoch vor 1817 errichtet wurde. „Und dass einige der Steine für die Mauern vermutlich aus der Domruine stammen“, ergänzt Steiner. „Im Erdgeschoss war ein großer Schlafraum sowie ein kleinerer Raum im hinteren Bereich mit einer Feuerstelle, oben zwei kleine Schlafkammern“, zitiert Balles aus den Archivtexten. Bis zu neun Personen hätten darin gelebt. „Die Ställe für Schweine, Schafe und Hasen waren dahinter im Hof untergebracht“, zitiert Balles weiter. „Damit die Tiere in den umliegenden Gärten und Wiesen grasen konnten, wurden sie durch die Wohnung auf die Hasenpfühlergasse geführt.“

Alle 20 Jahre sei das Häuschen verkauft worden. „Zwischenzeitlich war es marode und baufällig, wir hatten viel zu tun“, so Steiner. Über zwei Jahre haben die Männer jeden Samstag gearbeitet. „Alles, was in dem Häuschen drin war, haben wir rausgerissen, nur die Außenwände standen noch“, berichtet er. Material für Ausbesserungen und Wiederaufbau habe man von verschiedenen Abbruchbaustellen, insbesondere von einem Gasthof in Dudenhofen, geholt. Von dort stammten auch die für die Abtrennmauer von Küche und Sanitäranlagen verwendeten Steine. Dass sie neu eingezogen wurde, ist optisch kaum zu erkennen.

„Einer von uns war Maurer und hat sich am Stil der noch erhaltenen Mauern orientiert“, schildert Steiner. Er habe „gespielt“ mit den Steinen, sie da und dort probiert, auch einige ausgesucht, um einen ähnlichen Bogen wie an der Außenmauer einzufügen. Über diesen Räumen ist nun eine halboffene Galerie, die als Abstellfläche dient. Der vordere Teil des Raumes geht hoch bis zum Dach. „Damit es hier drin heller wird, haben wir im Giebel Glas anstatt Steine in das Fachwerk eingesetzt“, erläutert Alfred Boltz. Es habe jedoch richtig lange gedauert, bis der Glasgiebel so genehmigt wurde. 

„Die Umbauphase war eine herrliche Zeit“, erinnern sich die beiden. „Die Nachbarn waren aufgeschlossen und froh darüber, dass hier etwas passierte.“ Sie hätten die Männer oft mit Essen versorgt, „Dampfnudle“ und „Quetschekuche“ gebacken. „Dass hier renoviert und die alte Substanz so geschätzt wurde, war so ein bisschen ein Startzeichen“, führt Boltz weiter aus. Immer mehr Häuser seien danach restauriert, der Hasenpfuhl dadurch attraktiver geworden. „Wir haben damals 15.000 Mark bezahlt, das vermutlich kleinere Häuschen nebenan wurde vor kurzem für rund 350.000 Euro angeboten“, verrät er. „Daran erkennt man, wie sich der Ruf der ,Hasepieler‘ geändert hat.“ 

Mittlerweile hat sich das „Altstadthaisl“ auch kulturell einen Namen gemacht. Neben vielen Ausstellungen von Künstlern finden Lesungen, Auszeichnungen, Tagungen und andere kulturelle Veranstaltungen im kleineren Rahmen statt. Regelmäßig tauscht sich der Journalistenstammtisch verschiedener Redaktionen im Umkreis über wichtige Ereignisse und auch mit geladenen Politikern hier aus. Verjüngt hat sich der Verein zwischenzeitlich durch die Aufnahme der „Kinder“ der Mitglieder. Sie haben damals oft auf der Baustelle gespielt und ihre eigenen Erinnerungen daran. „Wir möchten das ,Haisl‘ auf alle Fälle im Sinne unserer Väter erhalten“, betont Sabine Balles, Tochter einer der Gründungsväter.