Wird immer teurer: die Miete in Ballungszentren. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn
Die Mieten in Deutschland steigen. Das berühmte Einkommensdrittel genügt für die Zahlung der Wohnkosten oft nicht mehr – in vielen Regionen sind es schon um die 40 Prozent. Das belastet.
Die Mieten steigen, die Gehälter nicht unbedingt. Hinzu kommt die Inflation. Vielen Menschen fällt es angesichts der finanziellen Belastungen schwer, die Kosten fürs Wohnen aufzubringen. Der Grundsatz, nur ein Drittel des Einkommens für die Miete auszugeben, den Rest für den Lebensunterhalt zu haben, wankt zunehmend. Wie sieht das Verhältnis von Einkommen zu Miete unter den neuen Rahmenbedingungen aus? Und was tun, wenn es eng wird?
Auf letztere Frage hat Franz Michel vom Deutschen Mieterbund (DMB) in Berlin eine klare Antwort: „Wenn das Drittel nicht mehr reicht, sollten Mieter Hilfe wie Wohngeld beantragen oder sich beraten lassen, ob sich Kosten senken lassen.“ Dazu gehöre die Prüfung auf Einsparpotenzial bei den Energieausgaben ebenso wie die Prüfung, ob die Miete den Vorgaben der Mietpreisbremse entspricht.
Beim Wohngeld gibt es nach Beobachtungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Luft nach oben. Demnach stellt rund die Hälfte der Berechtigten keinen Antrag, obwohl sie Anspruch hätten. Den Antrag nimmt die örtliche Wohngeldstelle entgegen. Sie ist meist bei den Sozialämtern angesiedelt.
Hilfe beantragen, verzichten, Alternativen suchen
Der Auszug aus der bisherigen Wohnung ist selten eine Alternative. Zu knapp sei das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten, meint Michel. Michael Voigtländer vom IW argumentiert ähnlich: „Aus dem Bestand rausgehen in eine neue Wohnung wird nicht unbedingt billiger.“ Eben aufgrund des geringen Angebots bei gleichzeitig starker Nachfrage, was trotz Mietpreisbremse und Kappungsgrenze vielerorts die Mieten steigen lässt.
Besonders betroffen sind nach Ansicht der Fachleute Menschen mit niedrigem Einkommen, Berufseinsteiger, Studierende und Rentner. Studierende sollten bei der Wahl des Studienorts auch auf die Wohnkosten achten, empfiehlt Voigtländer. Beispielsweise seien Städte in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet günstiger als Hotspots wie Bonn, München oder Frankfurt. Die Idee, im Studium weiterhin bei den Eltern wohnen zu bleiben, bringt Voigtländer ebenfalls ins Gespräch.
Alternativ könnte für Berufseinsteiger und Studierende wieder die gute alte Wohngemeinschaft an Attraktivität gewinnen. Junge, stadtaffine Menschen tendieren manchmal zu einem anderen Weg: Sie verzichten zum Beispiel aufs Auto, damit sie die höhere Miete tragen können. „Mehr fürs Wohnen auszugeben, entspricht der Präferenz dieser Generation“, sagt Voigtländer.
Lange Pendlerstrecken nach Umzug in ländliche Regionen
Diese Phase endet häufig mit der Familiengründung. Es folgt der Umzug in den Speckgürtel. Wer das weder will noch kann, lebt häufig mit mehr Menschen in einer manchmal zu kleinen Wohnung, weil das Einkommen keinen Spielraum hergibt.
„Im unteren Einkommensbereich um die 1300 Euro netto bleibt bei einem Drittel Wohnkostenanteil nicht mehr viel übrig“, sagt der Vorstand des in Hannover ansässigen Pestel-Instituts, Matthias Günther. Eigentlich müssten Menschen in Orten mit hohen Wohnkosten dort auch mehr verdienen, um sich das Leben in diesen Regionen leisten zu können. Im Niedriglohnsektor ist das meistens nicht gegeben. Die Folge seien wegen des Umzugs in als billiger eingeschätzte ländliche Regionen weite Pendlerstrecken, so Günther.
Ein Drittel wovon? Eine Definition fehlt
Die Ein-Drittel-Grenze nehmen Immobilienexperten, Politik und Sozialwissenschaftler zum Maßstab, um die Mietkosten ins Verhältnis zum Aufwand für den Lebensunterhalt zu setzen. „Eine Mietbelastungsquote oberhalb von 30 Prozent des Haushaltseinkommens, insbesondere bei Haushalten mit niedrigerem Einkommen, gilt als problematisch, weil dann nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung bleibt“, sagt DMB-Fachmann Michel.
Trotz dieser Bedeutung ist die Grenze nicht einheitlich definiert. Michael Voigtländer spricht von einem „ungefähren mehrjährigen Wert“ mit statistischen Wurzeln. Matthias Günther nennt sie „willkürlich gegriffen“. Ob sie sich auf die Netto-Miete oder die Brutto-Warmmiete beziehe, sei ebenso wenig bestimmt wie der Umstand, ob das Netto- oder Bruttoeinkommen zugrunde gelegt wird. Das Pestel-Institut und der DMB nehmen ein Drittel vom Netto-Einkommen und die Warmmiete zum Maßstab.
40 Prozent werden wohl das neue Maß
In den vergangenen Jahren blieb das Verhältnis von Miete zu Einkommen relativ konstant. Vor allem, weil beides in etwa gleichem Umfang stieg. Inzwischen wächst der Anteil der Miete. „Der Richtwert war bei vielen Mietern bereits 2021 übertroffen“, sagt Michel. Teilweise müssten Menschen bereits 40 Prozent und mehr ihres Einkommens für die Warmmiete aufbringen.
Die Ursachen sind vielfältig: Fehlberechnungen beim Bevölkerungswachstum und der Wohnungsbauplanung, demografischer Druck, Wegfall von Sozialwohnungen, Inflation, steigende Energiekosten, listet das Pestel-Institut als Beispiele auf. Auch die geringe Bereitschaft, in Regionen mit Leerstand und günstigen Mieten umzuziehen, hält den Mietanteil nach Ansicht von Fachleuten generell oben.
Neu ist die Situation nicht. „In den 50er-Jahren war das Verhältnis Miete/Einkommen wie heute“, sagt Günther. In London gelten 50 Prozent vom netto als normal. (dpa)