Schneller zum Ziel mit digitalen Besichtigungen

Besichtigungen von zu Hause, während der Roboter durch das Objekt fährt: Vor ein paar Jahren waren solche Möglichkeiten undenkbar.  Foto: Kampmeyer Immobilien Gmbh/dpa-tmn

Bei Vermietung und Verkauf von Büroimmobilien gehören digitale Tools zum Standard. Sie setzen sich auch auf dem Wohnungsmarkt durch. Die Corona-Pandemie und neue Regeln für die Maklerprovision befördern den Trend.

Immobilienmakler verlagern ihr Geschäft zunehmend ins Netz. Davon versprechen sie sich und der Kundschaft Vorteile. Zum einen sollen Objekte trotz der Corona-Beschränkungen zügig an den Mann gebracht werden. Zum anderen verlangt die seit Dezember 2020 gesetzlich verankerte Teilung der Maklerprovision beim Immobilienkauf nach angepassten Geschäftsmodellen. Eigentümern und Wohnungssuchenden soll die Digitalisierung des Vermittlungsprozesses Zeit, Frust und eventuell Geld sparen.

Professionelle Kunden prüfen ganz selbstverständlich Immobilien online, bevor sie an Ort und Stelle besichtigen. „Profis wollen digital Schreibtische in ein Büro stellen, sie hin und her rücken, lange vor einem Besichtigungstermin“, sagt Dirk Wohltorf, Vizepräsident des Maklerverbands IVD mit Sitz in Berlin.

Keine Massenbesichtigungen mehr

Einblicke in den Rohbau und mittels Virtual Reality in dessen Einrichtung sind üblich, um sich in die künftige Arbeitsumgebung einzufühlen. Dieses Vorgehen sei effizient: „Im Idealfall hält sich der Aufwand für alle in Grenzen.“

Den digitalen Weg öffnen Makler, aber auch Wohnungsgesellschaften, verstärkt privater Kundschaft. Suchende sind vielfach genervt vom Besichtigungsmarathon und Schlangestehen im Treppenhaus. Vermieter und verkaufswillige Eigentümer wiederum spüren in Corona-Zeiten wenig Lust, zahlreiche Fremde ins Haus zu lassen – darauf können beide Seiten getrost verzichten.

Virtuelle Besichtigung erspart Enttäuschung

„Terminschwierigkeiten und insgesamt der hohe Aufwand auf Mieter- und Vermieterseite können signifikant reduziert werden“, fasst Axel Gedaschko zusammen. Er ist Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW. Vermittler ziehen ebenfalls Vorteile aus der Digitalisierung. Die Zahl aufwendiger realer Begehungen reduziert sich, die Effizienz wird verbessert. Das schlägt vor allem bei Mietwohnungen durch, wo sonst bei gleichbleibender Courtage hunderte Bewerber durchzuschleusen sind. Tools wie 360 Grad-Rundgänge, Besichtigungsroboter, Drohnen und 3D-Brillen sollen Auswahl und Besichtigung zielführender gestalten. Die Technik hilft Interessenten frühzeitig zu erkennen, ob eine Immobilie in die engere Wahl kommt.

Sie erhalten ein Gefühl für die Wohnung, deren Zuschnitt und das Raumgefühl: Die Räume lassen sich zum Beispiel während einer virtuellen Begehung grob einrichten. Passt das Klavier nicht rein, ist analog zu besichtigen überflüssig. Interessenten bleibt ein enttäuschender Termin erspart, Vermietern, Verkäufern und Vermittlern Arbeit.

Makler Roland Kampmeyer setzt seit Jahren digitale Instrumente ein. „Die Akzeptanz hat sich deutlich verbessert, weil mit Corona der praktische Nutzen stärker in den Vordergrund gerückt ist“, stellt der Kölner fest. Kontaktbeschränkungen fallen weniger ins Gewicht.

Führungen durch Roboter

Er und viele Kollegen schicken Kaufinteressenten unter anderem auf virtuelle Rundtouren, die Vermittler via Chatfunktion begleiten. So werden potenzielle Erwerber direkt ihre Fragen los. Durch ausgewählte Objekte lässt Kampmeyer Kunden sogar von einem Roboter führen. Beratungs- und Vertragsgespräche finden häufig im Videocall statt, Termine sind online buchbar.

Mit solchen Angeboten zielt die Branche zudem auf potenzielle Auftraggeber unter den verkaufswilligen, aber zurückhaltenden Eigentümern. „Digitalisierung wird zum Markenzeichen für die Professionalität eines Maklers werden“, sind Kampmeyer und der IVD überzeugt.

Gezielter Einsatz der Tools

Der Einsatz des jeweiligen Online-Tools hängt vom Objekt ab. Drohnen, die präzise Aufnahmen von der Umgebung eines Hauses zeigen, sind teuer. Deshalb kommt ihr Einsatz eher für die Villa in bester Lage infrage. Interessenten einer Standardmietwohnung erwartet ein gescanntes Exposé oder ein Link zur Onlinebesichtigung.

Gut zu wissen: „Kassieren für den Link darf der Makler nicht. Das wäre unseriös“, sagt Dirk Wohltorf. Der IVD-Repräsentant hat keine Bedenken, dass digitale Rundgänge Mängel verdecken. „Der Aufwand der Bildbearbeitung wäre zu hoch.“

Reale Begehung hat Vorteile

Dennoch hält der Deutsche Mieterbund (DMB) wenig von virtuellen Besichtigungen. „Der Mieter sieht nur das, was ihm ausschnittsweise gezeigt wird“, sagt Sprecherin Jutta Hartmann. Sie rät unbedingt auch zur realen Begehung. Könnten Mieter ausschließlich online besichtigen, stehe ihnen nach Abschluss des Mietvertrags eventuell ein Widerrufsrecht zu, falls die Wohnung nicht halte, was sich der Mieter nach der virtuellen Besichtigung vorstellen durfte.

Daniel Zimmermann vom Mieterbund in Düsseldorf warnt davor, auf Mietzusagen per App und Mail zu vertrauen. „Ohne Vertrag und Unterschrift steht man doof da, wenn es Unklarheiten gibt.“

Neue Möglichkeiten für Besichtigungen

Analoge Besichtigungen sind durchaus ohne menschlichen Kontakt möglich. Dazu schicken Makler oder Plattform-Dienstleister Interessenten zum Beispiel einen Code aufs Mobiltelefon, mit dem sie sich einen in der Nähe der Wohnung deponierten Schlüssel abholen oder das elektronische Türschloss öffnen. In einem definierten Zeitfenster sehen sie sich dann die Immobilie alleine an. Solche Lösungen könnten die Kosten des Vermittlungsprozesses senken.

Für private Eigentümer haben sich Makler ebenfalls ein günstigeres Verkaufsverfahren einfallen lassen: Die Immobilie wird auf einer Plattform des Vermittlers angeboten, Interessenten können online in einem geschlossenen oder offenen Verfahren Angebote abgeben, die der Makler auf Wunsch des Kunden prüft. Bezahlt wird nach Dienstleistung. Bis sich solche Angebote in der Breite durchsetzen, wird es aber vermutlich noch eine Weile dauern. Experten rechnen mit fünf Jahren. (dpa)