Dorfkirche Pfeffelbach: Vorfahrin der Queen begraben

Die auf einem kleinen ummauerten Hügel im Dorf stehende Kirche ist romanischen Ursprungs. Die Turmumrisse sind noch zu erkennen. Foto: Gilcher


VON KLAUDIA GILCHER

Wann sie erbaut wurde, ist unbekannt. Ebenso, wann der erste Gottesdienst nach einem verheerenden Feuer im Jahr 1802 wieder gehalten werden konnte. Doch wer sich für die Geschichte des europäischen Hochadels interessiert, stößt irgendwann auf die schlichte Pfeffelbacher Dorfkirche. In einer einfachen Gruft ruhte dort über ein Jahrzehnt lang  „Königin Viktorias verstoßene Schwiegermutter“, Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg.

Schlicht sei es, aber berühmt. So beschrieben 1983 Pfeffelbacher Grundschüler in einem Brief an Königin Elisabeth II. von England das protestantische Gotteshaus ihres Dorfes. Die Viertklässler baten um ein Autogramm der Monarchin, weil sie die gerade im Unterricht durchgenommene Geschichte der Prinzessin und Herzogin Luise gerührt hatte. Luise, geboren am  21. Dezember 1800, gestorben am 30. August 1831, ist die Stammmutter der Windsors, die bis zum Ersten Weltkrieg unter dem Namen Sachsen-Coburg und Gotha firmierten. Luises zweitgeborener Sohn Albert war Prinzgemahl von Königin Victoria, der Ururgroßmutter von Elisabeth II..

Nun verteilt die Queen grundsätzlich keine Autogramme. Aber ein Vierteljahrhundert später erhielt die Dorfkirche  leibhaftigen royalen Besuch aus Windsor. 2019  war Herzogin Sarah „Fergie“ Ferguson für eine TV-Dokumentation auf den Spuren der unglücklichen Luise vor Ort.

Prinzgemahl Albert lenkte ein


Vom rund 17 Jahre älteren Gatten Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld war Luise mit nicht einmal 23 Jahren in die Exklave Fürstentum Lichtenberg verbannt worden (Burg Lichtenberg gehört heute zum Kreis Kusel). Später wurde sie  zwangsweise geschieden. Ihrer beiden kleinen Söhne und ihres beträchtlichen Vermögens weitgehend beraubt,  lebte sie, bald erneut verheiratet und beliebt in der Bevölkerung, in der Residenz in St. Wendel im heutigen Saarland. Mit 30 Jahren starb sie an Krebs. Weil die beiden früheren Ehemänner ums Erbe stritten, verzögerte sich ihre Bestattung. Über ein Jahr lang ruhte die Herzogin dem Pfeffelbacher Chronisten Herrmann Brill zufolge einbalsamiert im Schlafzimmer eines dem Witwer gewogenen Notars. Erst 1833 wurde Luise in der protestantischen Kirche in Pfeffelbach bestattet, wo der mit der Familie befreundete  Pfarrer Jakob Hepp wirkte.  Der Ort habe „noch nie so viele vornehme Menschen gesehen als an jenem Tage, da die tote Herzogin ihre Einkehr in dem armen Dorfkirchlein hielt“, zitiert Brill den St. Wendeler Historiker Max Müller.

Als Albert Prinzgemahl am englischen Hof geworden war, gelang es  Hepp über Umwege,  schriftlich in Kontakt zu treten, um Luise würdiger bestatten zu lassen. Schließlich lenkte Albert, der wie es heute heißt in Sachen der „Schand-Luise“ im Familienstammbaum vielleicht auch Erpressung gefürchtet haben mag, ein. Tatsächlich forderte die Pfeffelbacher Gemeinde von denen von Sachsen-Coburg und Gotha  einen Obolus, um Luise freizugeben. Vor 175 Jahren, am 9. Juni 1846, schließlich wurde die  versteckte Herzogin, die über Victoria und Alberts Nachkommen auch die Urgroßmutter des letzten deutschen Kaisers war, in aller Stille umgebettet. Heute ruht sie an der Seite ihres ungeliebten ersten Mannes, in Pfeffelbach erinnern Tafeln an die Historie.

Feuersbrunst an Ostern in der Kirche Pfeffelbach

Die  denkmalgeschützte Kirche in Pfeffelbach geht auf einen romanischen Bau zurück. 1758 war sie zu klein geworden, vor allem aber baufällig.  Steine fielen herab und der Pfarrer könne nicht von der Kanzel predigen, weil er dort bei Regenwetter zu nass werden würde, klagte die Gemeinde in  Briefen.

Durch den damaligen Umbau, der das Schiff vergrößerte, kam der Turm im Inneren der Kirche zu stehen.  1862 dann wurde auch der Chor abgerissen und das Kirchenschiff mit dem schiefergedeckten Satteldach erneut verlängert. 1893 wurde eine Stumm-Orgel eingeweiht.

Zwischen den Umbauten  lag eine Katastrophe, wegen der die Gemeinde noch 1846 die  von Luises Nachfahren gezahlte Entschädigung – 300 Gulden, heute etwa 3000 Euro – gut gebrauchen konnte: Am zweiten Ostertag 1802  fing während einer Taufe ein Haus im Dorf Feuer. Wind und Strohdächer taten ihr Teil, Pfeffelbachs Gebäude samt seiner Kirche  wurden ein Raub der  Flammen. 1806 begann der Wiederaufbau der Kirche, er dauerte bis mindestens 1811.

Seither wurde vielfach renoviert und saniert, zwischenzeitlich auch Luises  leere Gruft,  1,50 Quadratmeter groß, noch einmal geöffnet und wieder verschlossen. Die breite Öffentlichkeit hatte die Stammmutter der Windsors  und die Rolle des „armen Dorfkirchleins“ weitgehend verdrängt.  „Fergie“ immerhin befand 2019 beim Betreten der Kirche auf ihrem kleinen ummauerten Hügel: „Ah, this is nice – das ist schön.“