Nur noch Ruinen sind vom Traum vom Reichtum durch das schwarze Gold geblieben: Zu ihnen gehört unter anderem der Keller des Maschinenhauses am Schacht Wilhelmine. Foto: K. Gilcher
VON KLAUDIA GILCHER
Die Kohlegrube Consolidiertes Nordfeld sollte nicht weniger als ein bayrisch-pfälzisches Ruhrgebiet begründen. Doch was als Adler startete, landete als Suppenhuhn: Ein fehlerhaftes Gutachten hatte Anleger auf die falsche Fährte geführt. Kaum drei Jahre wurde effektiv gefördert, am Ende stand ein Millionenverlust. Heute erzählt ein Rundweg entlang der Ruinen der Anlagen von diesem frühen Wirtschaftsskandal.
Einst war es freies Feld, heute hat sich der Wald den nördlichen Hang des Höcherbergs direkt an der Grenze von Pfalz und Saarland zurückgeholt. Dort, zwischen den Orten Höchen im Saarland und Waldmohr und Dunzweiler in der Pfalz, spielte sich vor nicht einmal 150 Jahren ein Wirtschaftsdrama ab. Befeuert von der Annahme regionaler Geologen, dass sich die reichen Kohleabbaugebiete des Saarlandes bis weit in den Süden des derzeitigen Kreises Kusel fortsetzen würden, hatte der Leipziger Kaufmann Moritz Rosenthal 1889 Bergbaurechte über eine Fläche von 376 Hektar Land erworben, in Bochum das Unternehmen Consolidiertes Nordfeld gegründet und sogleich mit einer Probebohrung am Höcherberg begonnen. Diese fiel vielversprechend aus, doch das lag entweder an fehlendem Sachverstand oder an einer bewussten Täuschung. So nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Offiziell hatte die Probebohrung bis in 488 Meter Tiefe vier Kohleschichten mit einer Gesamtdicke von dreieinhalb Metern gezeigt. Daraufhin gaben die Gesellschafter grünes Licht für den Bau eines Förderschachts mit dem Namen Fortuna. 1893 war er fertig. Allein: Die Kohleflöze waren verschwunden. Christoph Missy aus Höchen, der sich mit der Geschichte der Grube beschäftigt hat, gibt in einem Aufsatz dafür zwei Erklärungen. Die offizielle lautet, man habe bitumenhaltigen Schiefer mit Kohle verwechselt. Eine zweite, die vor Ort kursierte, besagt, dass der Bohrkern manipuliert worden war.
Schließlich fand sich doch noch Kohle: In einem Querstollen in 612 Metern Tiefe, 245 Meter entfernt vom Schacht, stießen die Bergleute auf sechs Schichten Kohle von insgesamt 5,39 Meter Dicke. Nun folgte die zweite gravierende Fehleinschätzung: 1897 bescheinigte ein Gutachten dem Nordfeld, mehr als 100 Jahre lang jährlich 300.000 Tonnen Kohle liefern zu können. Die Schrift hatte Leo Cremer erstellt, ein junger Doktor der Geologie und Lehrer an der Bergbauschule Bochum. Er stützte sich auf die vorhandene Literatur und damit auch auf die überoptimistischen Schriften der regionalen Geologen.
Kohlegrube Consolidiertes Nordfeld: Ein früher Wirtschafsskandal
Nun nahm das Projekt Fahrt auf: Ein zweiter Stollen, mit Namen Wilhelmine und 867 Meter tief, wurde gebaut. Kein Schacht im Bergbau rund um die Saar reichte damals tiefer ins Erdinnere. Die Zweibrücker Dinglerwerke lieferten modernste Maschinen, Häuser für die Bergbauleitung, Werkstätten und sanitäre Anlagen für die Belegschaft wurden errichtet. Eine weitgehend automatisierte Seilbahn transportierte die Kohle aus einem Stollen heraus bis zum Verladebahnhof der Grube. Auch dessen Trasse bis zum Anschluss an die Bahnstrecke von Mainz nach Metz in Waldmohr wurde eigens gebaut, eine Lokomotive und Waggons angeschafft. Wilhelmine allein kostete nach Missys Recherchen eine Million Mark. Um den Betrag aufzubringen, waren Anleger geworben worden.
1901 waren die Anlagen fertig, 1903 die Bahn – und 1904 schlug die Stunde der Wahrheit: Die Kohlevorkommen des Nordfeldes erwiesen sich als Ausläufer der benachbarten Grube Frankenholz und eines größeren Feldes auf damals zu Preußen gehörendem Land, wo die Konzession nicht galt. 500 Kumpel hatten innerhalb eines Jahres gerade einmal 77.500 Tonnen Kohle gefördert, das laufende Geschäft erbrachte laut Missy von Mitte 1903 bis Mitte 1904 eines Verlust von mehr als 150.000 Mark.
Schlimmer noch: Die Werksleitung erklärte, dass die abbaufähige Kohle bis Ende 1904 erschöpft sei. Am 1. Januar 1905 wurde im Nordfeld die letzte Schicht gefahren, fast 600 Beschäftigte mussten sich neue Arbeit suchen. Die Maschinen wurden versteigert, die Häuser abgebaut und als Wohnhäuser in Ortsteilen des heutigen Bexbach wieder aufgebaut. Was übrig war vom Nordfeld wurde ein Ausflugsziel.
Das ist es auch fast 120 Jahre nach seinem Ende noch. Rund sechs Kilometer lang ist die Tour „Historisches Grubenfeld Nordfeld“, die mit Text- und Bildtafeln die Schauplätze zurück ins Leben holt. Die mächtigen Fundamente und Keller der Maschinenhäuser stehen noch, langsam werden sie und die Abraumhalden vom Wald überwuchert. Im Gelände finden sich Fundamente mit kniehohen Ankerschrauben; aus dem Stollen im Brandsbachtal, wo früher die Seilbahnrasse verlief, fließt von Eisen rot gefärbtes Wasser, und von der Verladestation am wenige 100 Meter entfernten Grubenbahnhof zeugt noch eine dicke Mauer. Schacht Wilhelmine ist verfüllt, Schacht Fortuna existiert noch, gut gesichert und fest umzäunt.
Info
www.saarpfalz-touristik.de/touren/grubenweg-nordfeld