"Freischwimmer“ braucht kein Badebecken mehr

Jazz am Beckenrand, arbeiten, sich fortbilden und austauschen in den ehemaligen Räumen des Hallenbades Nord: 20 Jahre nach der Schließung des Badebetriebs  präsentiert sich der Gebäudekomplex mit vielfältigen neuen Nutzungsmöglichkeiten und als angesagte „LUcation“. Archivfoto: Moray




VON HENNING WIECHERS


„Der Freischwimmer“ heißt das Ludwigshafener Innovations- und Kulturzentrum im Stadtteil Nord. Der Name weckt Assoziationen, sowohl zum heutigen Zweck der Räumlichkeiten als auch zum früheren: Sie gehörten zum einst sehr beliebten Hallenbad Nord. Badebetrieb gibt’s hier allerdings schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.


Eine Gabe der BASF in Höhe von einer Million Mark an die Stadt im Vorfeld des Ludwigshafener 100-Jahr-Jubiläums 1953 – also vor nunmehr runden 70 Jahren – bildete die Anschubfinanzierung für die Realisierung des Ludwigshafener Hallenbads Nord, das schließlich 1956 in Betrieb genommen wurde. Es war das erste Hallenbad in der Stadt und bekam den Zusatz „Nord“ im Namen, nachdem 1973 das Hallenbad Süd eröffnet worden war. Zur Zeit der Inbetriebnahme dieses ersten Hallenbades 1956 „gab es den Begriff ,Spaßbad‘  noch nicht“, erklärt die Vorsitzende des Vereins Rhein-Neckar-Industriekultur, Barbara Ritter, in ihrem Porträt der Anlage. „Da sprach man davon, dass es eine Kombination von ,Sport-Bad und Volksbad‘  sei, ein ,Ort des gesteigerten Lebensgenusses‘.“

Eine lichtdurchflutete Eingangshalle mit buntem Steinfußboden eröffnete den Blick auf einen großzügigen Gartenhof. Denn der mehrteilige Stahlbeton-Baukörper bildete vor der eigentlichen Schwimmhalle nach antikem Vorbild ein Rechteck um ein Atrium. Die Schwimmhalle selbst hatte „riesige Fenster“ auf eine kleine Parkanlage nach Süden. Die dreireihige Tribüne bot Platz für 500 Zuschauer. „Durch Unterwasserfenster konnte man die Vorführung der Kunstschwimmer in allen Phasen beobachten“, so Ritter weiter. Ein Friseur und eine Milchbar im Eingangstrakt, ein Schwitzbad und eine Sauna gehörten zum Konzept des gesteigerten Lebensgenusses. Die Sauna wurde vor allem deshalb bekannt, weil hier auch der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl immer wieder einkehrte. In dieser Sauna gab es als Hingucker Wandmosaiken des Künstlers Rolf Müller-Landau. Das Schwimmbecken maß 25 mal 15 Meter, war 1,30 bis 3,60 Meter tief und fasste eine Million Liter Wasser.


2009 wurde das Hallenbad Nord unter Denkmalschutz gestellt


Gebaut worden war nach einem Entwurf der Architekten Heinrich Schmitt und Philipp Blaumer. Die hatten ihren Entwurf bereits 1938 bei einem von der IG Farben – zu der seinerzeit die BASF gehört hatte – ausgeschriebenen Wettbewerb eingereicht. Allerdings war das Projekt damals wegen des Krieges nicht realisiert worden. Knapp ein Jahrzehnt nach Kriegsende griff nun die Stadt den Entwurf wieder auf, der, aktualisiert von Heinrich Schmitt, schließlich im Neubau umgesetzt wurde. Die Bauzeit betrug 26 Monate und die Gesamtkosten betrugen 4,3 Millionen Mark, also gut das Vierfache des von der BASF bereitgestellten Grundstocks. Die Unterhaltskosten und Reparaturen hatte die Stadt zu tragen. Aber die Ludwigshafener dankten mit intensiver Nutzung des Bades, täglich rund 600 Badegäste wurden verzeichnet.

Allerdings begann auch sogleich der Zahn der Zeit am Bad zu nagen, dem man kaum Einhalt gebot. In den frühen 1990er-Jahren wurde denn auch ein hoher Sanierungsbedarf am Hallenbad festgestellt. Weil die Stadt sich in den Jahren in schwerer Finanzkrise befand, wurde schnell die Schließung des Bades diskutiert, und trotz erheblichen Widerstands aus der Bürgerschaft kam 1995 die Entscheidung für das Aus. „2001 erfolgt die endgültige Schließung. Kein Plan, was weiter damit passieren soll“, kommentiert Barbara Ritter.

Aber nach ein paar Jahren „Dornröschenschlaf“ ist dann doch etwas passiert: 2009 wurde das Hallenbad Nord zunächst mal unter Denkmalschutz gestellt. Sporadisch fanden auch kulturelle Veranstaltungen statt. Ende 2013 begannen dann die ersten Schritte einer neuen Nutzung: Die Gemeinschafts-Müllheizkraftwerk Ludwigshafen GmbH (GML) kaufte Schwimmhalle und Pumpenkeller und machte 2015 das Schwimmbecken zum Löschwasserbecken für das Müllheizkraftwerk der GML. 2016 übernahmen die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) die restlichen 4600 Quadratmeter der Immobilie. Sie bauten den Bereich der ehemaligen Umkleidekabinen, Lehrbecken, der Sauna und Verwaltung unter Berücksichtigung der denkmalschützerischen Ansprüche zu einem Zentrum für Start-up-Unternehmen um. Das endgültige Konzept allerdings brauchte einige Jahre zur Reife. Heute bietet „Der Freischwimmer“, gemanagt von einer eigenen GmbH – einer TWL-Tochter –, Kulturveranstaltungen und Seminare für Unternehmensentwicklung und Fortbildung von Fach- und Führungskräften sowie Mieträumlichkeiten für Konferenzen und Coworking sowie Veranstaltungen.

Die ehemalige Schwimmhalle mit dem Löschwasserbecken zählt zu den sogenannten „LUcations“, die sich als außergewöhnliche Räumlichkeiten für Kulturveranstaltungen auszeichnen.  Sie wird von der Eigentümerin GML dafür auch immer wieder zur Verfügung gestellt.