Passivhaus in Herxheim hat ausgefallene Dachform

Passivhaus Herxheim

Von vorne präsentiert sich das Haus dunkel. Foto: Lampe/frei

 

VON ANETTE KONRAD

Bis zu den Gipfeln des Schwarzwaldes und des Pfälzerwalds kann Familie Lampe aus den Fenstern ihres Passivhauses in Herxheim blicken. Mit seinem runden Dach und der dunklen Kupferfassade sticht das freistehende Einfamilienhaus aus der üblichen Bebauung des Ortes heraus.

„Viele Leute sagen: Das Haus hat ja keine Fenster“, sagt Sonja Lampe. Denn zur Straße hin wird die dunkle Fassade aus Kupfer nur durch die Haustür und ein einziges Fenster aufgebrochen. Doch der Eindruck täuscht. Betritt man das Haus, gelangt man in einen großen hellen Raum mit Essplatz und offener Küche. Zur Süd- und Westseite lässt ein durchgehendes Fensterband viel Licht in das Haus hinein. Weit schweift der Blick von hier über die Weinberge rund um Herxheim bis hin zum Pfälzerwald. „Bei gutem Wetter sehen wir sogar den Feldberg im Schwarzwald“, sagt Sonja Lampe.

Die Architektin führt durch ihr Zuhause. Im ersten Obergeschoss befinden sich die Schlafräume, die alle Zugang zu einem Südbalkon haben. Eine Treppe führt vom Essbereich, den die Architekten den öffentlichen Bereich nennen, in das Gartengeschoss. Hier reichen die Fenster vom Boden bis zur Decke und holen den großen Garten ins Zimmer. Die Familie hat hier ihren privaten Wohnbereich. Durch die Hanglage des Grundstücks kann niemand in den Garten sehen. Rollläden oder Vorhänge als Sichtschutz sind nicht nötig.

 

Passivhaus Herxheim

Hinten öffnet es sich mit vielen Fenstern zum Garten. Foto: Lampe/frei

 

„Die nach Süden hin aufgerissene Bauweise wird durch die Holzbauständerweise möglich. Denn Holz ist leichter als Stahlbeton“, erläutert Dirk Lampe. So reichen einige wenige dünne Säulen in der Fensterfront, die kaum auffallen, um die Statik des Hauses zu gewährleisten.

Mit der Holzbauständerweise ist der Architekt dann auch mitten im Thema Passivhaus. Denn anders als bei einer herkömmlichen Bauweise, bei der das Dämmmaterial von außen auf das Mauerwerk aufgebracht wird, werden hier schon die 60 Zentimeter breiten Zwischenräume zwischen den Holzständern für die Dämmung genutzt. „Wir haben dort 24 Zentimeter Dämmung und darauf dann nochmal eine 18 Zentimeter dicke Außendämmung“, erläutert er. Die weißen Fenster sind aus Holz und dreifach verglast. Das Ergebnis ist eine sehr dichte Gebäudehülle, in der immer angenehme Temperaturen herrschen. „Es gibt keine kalten Wand- oder Fensterflächen wie im Altbau, die abstrahlen“, erläutert Dirk Lampe.

„Ich war anfangs sehr skeptisch, ich bin verfroren“, gesteht Sonja Lampe. Schließlich hat das Passivhaus keine Heizung. Nur in den Bädern und im Essbereich installierten die Bauherren eine Fußbodenheizung. Dafür kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die auch für warmes Wasser sorgt. In den Bädern genießen sie die Wärme, doch im Essbereich sei die Heizung noch nie an gewesen, berichten die beiden. Ebenso stehe die Schiebetür zwischen Diele und Wohnbereich – ursprünglich als Schutz vor Zugluft gedacht – immer offen.

Eine Lüftungsanlage sorgt für ein angenehmes Raumklima. „Es ist Quatsch, dass man bei einem Passivhaus nicht lüften darf“, räumt Dirk Lampe mit einem gängigen Vorurteil auf. Die Familie öffnet die Fenster und Terrassentüren nach Herzenslust.

 

Passivhaus Herxheim

Vom Essplatz schweift der Blick bis hinüber zum Schwarzwald. Foto: Lampe/frei

 

Sorgen die großen Fensterflächen im Winter und an trüben Tagen für viel Licht, machen sie für den Sommer eine Beschattung erforderlich. Hier haben die Lampes Markisen ausgewählt. Und setzen darüber hinaus auf einen natürlichen Schattenspender – eine Platane. Diese steht sehr nah am Haus und sorgt im Sommer mit ihrem dichten Laub für permanenten Sonnenschutz. Im Winter wiederum lassen die kahlen Äste das Licht ungehindert ins Haus.
„Als wir das Haus vor zehn Jahren entworfen haben, haben wir durchaus Weitblick gehabt. Wir waren energetisch 15, 20 Jahren vor der Zeit“, ist sich Dirk Lampe sicher. So liegt der Heizwärmebedarf pro Quadratmeter bei zehn Kilowattstunden (kWh) im Jahr – und damit deutlich unter dem für Passivhäuser geltenden Grenzwert von 15 kWh/a.

Die Mehrkosten für ein Passivhaus beziffert Sonja Lampe mit zehn bis 15 Prozent. „Doch das wird immer weniger, weil die geforderten energetischen Standards immer höher werden“, sagt sie. „In zehn bis 15 Jahren wird so ein Gebäude Pflicht sein“, so ihre Prognose.

Und wie ist das Architekten-Paar nun auf die ausgefallene Form des Dachs gekommen? „Das war Zufall“, sagt Sonja Lampe lachend. Das runde Dach sei irgendwann beim Zeichnen entstanden, sagt sie und macht kreisende Bewegungen mit der Hand. Im Inneren setzt sich die runde Form mit der geschwungenen Treppe in das Gartengeschoss fort.
Doch bevor die beiden ihren Entwurf verwirklichen konnten, musste erst die Baugenehmigung her. Dazu stellten sie einen Befreiungsantrag: Als Kompromiss setzten sie das Haus deutlich von der Straße zurück. Außerdem ist es durch das Tonnendach niedriger als die umliegenden Gebäuden.

Bei der Planung haben die Lampes auch an die Zukunft gedacht, wenn die drei Kinder einmal aus dem Haus sind. Ihr Eigenheim kann in drei einzelne Wohnungen aufgeteilt werden. Durchbrüche, Türen und Anschlüsse sind schon da. Also tatsächlich ein Haus mit Weitblick – in vielfacher Hinsicht.