Friedenskirche: Hochgotik, Renaissance und Gegenwart

Markant und für die Region auch einzigartig ist die Gestalt der Ludwigshafener Friedenskirche. Foto: kia




VON HENNING WIECHERS

„Die Wandauflösung der Hochgotik stand hier ebenso Pate wie das – in zeitgenössische Baustrukturen und Materialien umgesetzte – Renaissance-Ideal des kreisrunden Zentralbaus.“ So charakterisierte die im Jahr 2020 verstorbene Neustadter Kunsthistorikerin und Architekturkritikerin Karin Leydecker im rheinland-pfälzischen Architekturführer „Baustelle Heimat“ die beiden wohl wichtigsten Merkmale der Ludwigshafener Friedenskirche.


Der Text bezieht sich auf die „neue“ Friedenskirche im Ludwigshafener Stadtteil Friesenheim, die heute sicher eines der markantesten Bauwerke der vom großen Chemiewerk geprägten Metropole am Rhein ist. Ein Rundbau war aber auch die „alte“ schon. 

Der vor rund einem Jahrhundert durch den Arbeitskräftebedarf der direkt an Friesenheim angrenzenden BASF immens geförderte Zuzug ließ auch die protestantische Gemeinde derart anwachsen, dass sie sich ein ganz besonderes Gotteshaus gönnte. Das wurde 1932, also vor runden 90 Jahren, eingeweiht und  war die „alte“ Friedenskirche: ein Rundbau mit Turm in der Mitte. Dessen architektonisches Vorbild stand ein ganzes Stück entfernt von Ludwigshafen stand, in Essen – die vom Architekten Otto Bartning entworfene und 1929 gebaute Auferstehungskirche. Die Ludwigshafener Friedenskirche entwarfen die Architekten Karl Latteyer und Hans Schneider, die 1928 auch den ersten „Pfalzbau“, der am heutigen Berliner Platz stand, geschaffen hatten.

Zentrales Element war ein Trage- und Stützsystem aus sternförmig angeordneten Stahlbetonrahmen, die einerseits oben den Turm in der Mitte trugen und andererseits über einen Ring in die zwölf Stützpfeiler der Kirche ausliefen. Das Innere barg das Werk eines der renommiertesten Künstler jener Tage: das Altarwandbild „Golgatha“ von Max Slevogt. Ein architektonisches „Gegenüber“ hatte die Friedenskirche überdies auch: das 1925 errichtete Turmrestaurant im Ebertpark, mit dem sie eine Sichtachse, längs der Fichtestraße- und Ebertstraße, verband.

Die „alte“ Friedenskirche inklusive Slevogt-Gemälde wurde im Bombenhagel während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Auf ihren Fundamenten und unter Einbeziehung von Resten des Ursprungsbaus entstand die „neue“ Friedenskirche, die 1956 eingeweiht wurde.


Seit 2013 ist die Friedenskirche „Kultur- und Veranstaltungskirche“


Von der Zerstörung der alten bis zur Errichtung der neuen war es ein langer Weg, auf dem zunächst weitere Demontage lag. Die Ludwigshafener nutzten Materialien aus der Ruine für eigene Bau- und Heizzwecke, und die Kirchengemeinde beantragte gar 1947 den Abriss, um an der Stelle der Kirche ihr Pfarrhaus zu errichten. Dass es zum Kirchenneubau kam, ist schließlich auch der damaligen Stadtverwaltung zu verdanken, die das Gebäude fürs Stadtbild erhalten wollte. Nachzulesen ist die Geschichte in dem im vergangenen Herbst vom Förderkreis Friedenskirche im Mannheimer Verlag „Edition Quadrat“ herausgegebenen neuen Führer zur Friedenskirche.

Mit der Gestaltung des Neubaus wurde der Hannoveraner Architekt und Hochschullehrer Ernst Zinsser beauftragt, dessen Entwurf vorsah, das Fundament, die Stützkonstruktion mit dem Turmskelett und Teile der Wand der alten Kirche einzubeziehen. Im Erscheinungsbild ergaben sich allerdings einige markante Änderungen, die den Charakter der neuen Friedenskirche prägten.

Unter anderem wurde die Turmhöhe verringert, der Kirchenraum  verkleinert und dadurch außen ein Säulenumgang gewonnen. Die nicht tragenden Kirchenraumwände wurden als das Tageslicht hereinfluten lassende Kombination von Glas und Betonornamenten nach dem Vorbild der französischen Hochgotik gestaltet. Auch im Inneren gab es große Änderungen. Die sicher auffälligste war die Verlegung des eigentlichen Gottesdienstraumes ins Obergeschoss. Im Erdgeschoss konnten Gemeinde-, Sitzungs- und Konfirmandensaal, Büro- und Funktionsräume eingerichtet werden. Für die Altarwand wurde wieder ein Bildnis in Auftrag gegeben, das der in Eppelheim lebende Künstler Harry MacLean schuf: Ein Glasmosaik, das zentral den gekreuzigten Christus darstellt, umgeben von sechsflügeligen Seraphim und Fischen.

2008 stellte sich heraus, dass der Zahn der Zeit gehörig an dem Stützsystem des 1992 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes genagt hatte. Und in den Folgejahren mussten aufwendige Sanierungsarbeiten durchgeführt werden um die Stabilität zu sichern, was schließlich 2015 erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Seit 2013 ist die Friedenskirche „Kultur- und Veranstaltungskirche“ des Protestantischen Kirchenbezirks Ludwigshafen. Hier werden etwa Konzerte – „von der Staatsphilharmonie bis hin zu den ,Prinzen‘“, wie es im Führer heißt – und Kunstausstellungen geboten. Bis zu 700 Gäste finden im Kirchenraum, der seit 2014 auch per Fahrstuhl zu erreichen ist, Platz.