Eigenbedarf: Kündigung ist nicht immer rechtmäßig

Umzug

Gegen einen erzwungenen Auszug können sich Mieter bei einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters
kaum wehren. Doch diese ist nicht immer berechtigt. Foto:  J.Mühlbauer exclus./stock.adobe.com

 

VON ANETTE KONRAD

Liegt sie im Briefkasten, ist der Schreck oft groß: die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Bei der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt ist die Suche nach einer neuen Bleibe oft schwierig. In der jüngeren Vergangenheit scheinen sich Eigenbedarfskündigungen zu häufen, und so manche davon ist unberechtigt, hat Rechtsanwalt Willibrord Zunker vom Mieterverein Ludwigshafen (DMB) beobachtet.

„Eine Eigenbedarfskündigung kann jeden Mieter treffen und ist eine Zäsur im Leben“, sagt Rechtsexperte Willibrord Zunker vom DMB. Einmal in der Woche berät der Fachanwalt für Mietrecht Mieter in Ludwigshafen und kennt deswegen ihre Sorgen und Probleme aus erster Hand. Möglich sei eine Eigenbedarfskündigung, wenn der Vermieter die Wohnung für sich oder einen Verwandten benötigt, erläutert er. „Die direkte Linie, also Eltern, Kinder, Enkel, stellt kein Problem dar. Neffen und Nichten werden auch noch akzeptiert. Bei Schwager oder Tante wird es schon schwieriger“, umreißt Zunker den Personenkreis, für den der Vermieter eine Eigenbedarfskündigung gegen Dritte aussprechen darf. Auch für Pflegepersonal oder einen Hausmeister kann Eigenbedarf geltend gemacht werden. Der Vermieter muss allerdings begründen, warum er die Wohnung benötigt und warum keine Alternativen bestehen.

Häufig trifft es Langzeitmieter mit günstigen Mietverträgen.

Bei einer Eigenbedarfskündigung sind die gesetzlichen Kündigungsfristen einzuhalten: bis 5 Jahre drei Monate, mehr als fünf und bis acht Jahre sechs Monate, über acht Jahre neun Monate. „Die Fälle von Eigenbedarfskündigungen mehren sich“, so Zunker. Häufig treffe es Langzeitmieter mit günstigen Mietverträgen. Hellhörig wird der Fachanwalt, wenn es vor der Kündigung zu Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter gekommen ist, etwa über die Nebenkosten, notwendige Reparaturen oder eine Mietminderung. „Hier sollte man sich die Kündigung genau anschauen dahingehend, ob es sich nicht um eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung handelt“, rät er.

Zunker hat einige Beispiele parat, bei denen genau das passiert ist. Etwa die türkischstämmige Familie, die seit Juli 2014 eine Fünf-Zimmer-Wohnung in Böhl-Iggelheim angemietet hatte. Im Dezember 2016 meldete der Vermieter Eigenbedarf für seinen Sohn an. Die Mieter zogen zum 30. Juni 2017 aus, der Sohn zog aber nie ein. Der Vermieter vermietete die Räume stattdessen an eine deutsche Familie. Oder der Fall einer vierköpfigen Familie, die eine Vier-Zimmer-Wohnung im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof bewohnte. Ihr wurde von der Vermieterin wegen Eigenbedarfs für den Enkel gekündigt, der mit seiner Freundin zusammenziehen wollte. Ein knappes Jahr zuvor hatte die Vermieterin einem anderen Mieter im selben Haus schon wegen Eigenbedarfs für den Enkel gekündigt, die Kündigung dann aber mit Blick auf die schwierige persönliche Situation des Mieters zurückgenommen. Gleichzeitig stand im selben Haus eine weitere Wohnung leer, die die Vermieterin aber nicht ihrem Enkel zur Verfügung stellte, sondern weiter vermietete. „In diesem Fall haben die Mieter geklagt und Recht bekommen. Der zuständige Amtsrichter hat der Vermieterin den Eigenbedarf nicht abgenommen“, berichtet Zunker.

Schadenersatz nach unberechtigter Kündigung  

Stellen die Mieter nach dem Umzug fest, dass die Eigenbedarfskündigung unberechtigt war, können sie Schadenersatz geltend machen für die Umzugskosten, den Makler und die Renovierung der neuen Wohnung. Auch ein Ausgleich für höhere Miete ist maximal drei Jahre lang möglich. Doch sind diese Fälle eher selten.

„Der Mieter hat die Beweislast, dass eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung vorliegt“, erläutert Zunker die Rechtslage. Da heiße es: recherchieren und aufmerksam sein. Man könne schauen, ob die eigene Wohnung auf Immobilienportalen angeboten wird. Oder auf dem Klingelschild nachschauen, ob der in der Kündigung genannte Name darauf steht. Man können auch prüfen, ob die Wohnung überhaupt vermietet ist oder leer steht. Leider, so bedauert der Fachanwalt, kämen Mieter da oft nicht weiter. Wenn zum Beispiel die Eigenbedarfskündigung erfolgte, um eine Pflegeperson für die betagten Eltern unterzubringen, diese dann aber doch nicht einzieht, könnten die Vermieter behaupten, die Situation der Eltern habe sich geändert. Vermieter würden als Zeugen oft Familienangehörige benennen und bekämen dann meist Recht.

Den Mietern bleibt bei einer Eigenbedarfskündigung nur ein Widerspruch wegen unzumutbarer Härten, so etwa wegen Alter, Krankheit oder einer Schwangerschaft. „Richter können das Mietverhältnis temporär verlängern, aber auch auf unbestimmte Zeit“, erläutert er. Zunkers Tipp: Manchmal helfe ein Gespräch mit dem Vermieter über eine Verlängerung der Kündigungsfrist.

Information und Hilfe

Der Deutsche Mieterbund (DMB) hat mehrere Büros in der Pfalz. Er ist einer unter einer vielen Mieterschutzvereinen. Die Büros:
DMB Mieterverein für Ludwigshafen, Frankenthal und Speyer e.V., Wredestr. 33, 67059 Ludwigshafen, Telefon 0621 59296711;
Mieterschutzverein Kaiserslautern und Umgebung e.V., Marktstraße 37, 67655 Kaiserslautern, Telefon 0631 67127;
Mieterverein Neustadt und Umgebung e.V., Karolinenstr. 35, 67434 Neustadt, Telefon 06321 84915;
Mieterverein Westpfalz e.V., Bahnhofstr. 34 - 36, 66953 Pirmasens, Telefon 06331 99236.