Oggersheimer Wallfahrtskirche birgt Loreto-Kapelle in sich

Schlicht, aber mit architektonischen Anklängen an die Antike hat Peter Anton von Verschaffelt seinen einzigen realisierten Kirchenbau geplant. Im Inneren birgt die Oggersheimer Wallfahrtskirche die früher gebaute Loreto-Kapelle. Foto: Wiechers




VON HENNING WIECHERS


Eine „ungewöhnliche Gestalt, die in Deutschland ihresgleichen sucht“, bescheinigt „der Dehio“ der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim. Das von dem Kunsthistoriker Georg Dehio im Jahr 1900 begründete und nach ihm benannte „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ erklärt diese Einzigartigkeit unter anderem damit, dass das Gotteshaus der einzige ausgeführte Kirchenbau seines Architekten ist und seinen besonderen Charakter durch dessen „Anlehnung an Vorbilder des römischen Hochbarock“ erhielt.


Architekt der 1777 fertiggestellten Kirche Mariä Himmelfahrt war der aus dem flämischen Gent stammende Peter Anton von Verschaffelt, der sich auch als Bildhauer einen Namen gemacht hatte. Ihn hatte 1752 Kurfürst Karl Theodor als Hofbildhauer nach Mannheim geholt, wo er auch mit dem Ausbau des Schwetzinger Schlosses zur Sommerresidenz zu tun hatte und zwei der wohl bekanntesten Wegmarken im Schlossgarten schuf: die Hirsch- und die Flussgruppe.

Den Auftrag für den Kirchenbau im gegenüber von Mannheim auf der anderen Rheinseite liegenden Oggersheim erhielt Verschaffelt von Kurfürstin Elisabeth Auguste, die das damals dort stehende Schloss von ihrem Gatten geschenkt bekommen hatte und es mit der zunehmenden Entfremdung von Karl Theodor und vor allem nach dessen Wechsel nach München immer häufiger und länger als Zuhause nutzte.

Das Oggersheimer Schloss war im Prinzip schon immer eine Familienimmobilie gewesen: Erbauer war Elisabeth Augustes Vater, Pfalzgraf Joseph Karl Emmanuel, ein Onkel von Karl Theodor – dieser war also auch der Cousin seiner Gattin. 1720 begann der Schlossbau, aber nachdem sein Bauherr 1729 verstarb, stand es zwei Jahrzehnte leer, dann nahm sich Prinz Friedrich Michael von Pfalz-Birkenfeld, ein anderer Schwiegersohn von Joseph Karl Emmanuel, seiner an, bevor Karl Theodor es 1767 erwarb und an seine Frau verschenkte.


Kurfürstin wünscht sich eine repräsentative Kirche


Die ließ sich also nun von Verschaffelt eine Residenzkirche planen, der von Anfang an noch eine weitere Besonderheit innewohnte: Sie wurde über einem von ihrem Vater noch 1729 begonnenen Kapellenbau errichtet, den die Kirche vollständig in sich aufnahm. Diese Kapelle, ein kleiner rechteckiger Bau, wurde als Nachbildung des Heiligen Hauses im italienischen Loreto gestaltet – das nach einer Legende im 13. Jahrhundert von Engeln von Nazareth nach Italien versetzte Geburtshaus der Maria, wie die Internet-Enzyklopädie „Kathpedia“ informiert.

Die hiesige Loreto-Kapelle hatte Oggersheim längst zum Wallfahrtsort gemacht, als die neue Kirche über ihr errichtet wurde. Im Zuge der Bauarbeiten bekam die Kapelle eine Verkleidung aus farbigem Marmor. Neben der Kirche selbst, die nur ein Schiff hat, das von einem Tonnengewölbe überspannt wird, gestaltete Verschaffelt auch den Hochaltar. In der Kapelle finden sich Kopien der Wandmalereien in Loreto und als besonderer Schatz die schwarze Madonna von Oggersheim. Das Gnadenbild wurde in Loreto hergestellt und ist eine Kopie des dortigen.


Oggersheimer Wallfahrt beginnt um 1730


Zwar war das Schloss nach dem Tod seines Erbauers lange verwaist, aber die Wallfahrt zu den Marienfesten kam in den 1730er-Jahren richtig in Gang. 1733 übernahmen im kurfürstlichen Auftrag die Mannheimer Jesuiten die Betreuung der Kapelle. Der kurfürstliche Hof förderte die Wallfahrt, und er bestimmte die Madonna von Oggersheim zur Patronin der Kurpfalz. Bis heute haben die Oggersheimer Wallfahrtsfeste ihren festen Platz im Kalender.

Im Laufe der Jahrhunderte musste die Kirche Mariä Himmelfahrt natürlich mehrfach renoviert werden, aber sie hat bis heute ihren ursprünglichen Charakter bewahrt. „Als Beispiel höfischer Repräsentationsarchitektur stellt die Kirche ein geschichtlich und kunsthistorisch herausragendes Baudenkmal dar“, heißt es in der Auflistung der Kulturdenkmäler der Stadt Ludwigshafen. Und sie wird auch heute noch von Mönchen betreut – inzwischen sind es Brüder des Franziskaner-Minoritenordens. Allerdings steht die einstige Schloss- und Residenzkirche heute gänzlich ohne Residenz da. Das Oggersheimer Schloss existiert nicht mehr. Es brannte im Winter von 1793 auf 1794 ab: Nachdem Kurfürstin Elisabeth Auguste vor heranrückenden französischen Revolutionstruppen nach Weinheim geflohen war – wo sie bald darauf starb –, bemächtigten sich, erklären die Berichte der Historiker, die Soldaten des Schlosses und wärmten sich an offenen Feuern in seinen Räumen. Was dann schnell zur Katastrophe geführt haben soll.