Nachverdichtung: Baurecht setzt Grenzen

Ob ein Gebäude aufgestockt werden darf, ergibt sich aus dem Bebauungsplan. Denn dort finden sich auch Regelungen zur Geschossflächenzahl.  Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Ob ein Gebäude aufgestockt werden darf, ergibt sich aus dem Bebauungsplan. Denn dort finden sich auch Regelungen zur Geschossflächenzahl. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

 

Baulücke, großes Grundstück, Platz im Hof. Es gibt viele Flächen, die sich noch bebauen lassen. Doch so naheliegend ein Projekt auch erscheinen mag – die Tücke liegt oft im Detail.

Grundstücke sind in Ballungsgebieten Mangelware, daher werden dort auch bereits bebaute Flächen stärker genutzt. Nicht nur für Investoren, sondern auch für private Bauherren kann aufstocken, abreißen und neu bauen sowie zusätzliche Bebauung des Grundstücks attraktiv sein. Das Baurecht setzt einer solchen Nachverdichtung allerdings Grenzen.

„Auch private Eigentümer haben oft zahlreiche Möglichkeiten, mehr aus ihrer Immobilie zu machen“, sagt Rechtsanwalt Martin Voigtmann von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Nachverdichtung meint nicht nur die Entwicklung brachliegender Flächen, sondern zielt auch auf die Optimierung bereits genutzter Grundstücke ab – zum Beispiel durch geänderte oder zusätzliche Bebauung oder Aufteilung, um neuen Baugrund zu gewinnen.

Bebauungsplan ist wichtig

„Die Zulässigkeit des Bauvorhabens ist häufig abhängig von den konkreten Gegebenheiten vor Ort“, sagt David Reichert vom Bundesinnenministerium. „Entscheidend ist beispielsweise, welche Festsetzungen der Bebauungsplan vorsieht, welche baulichen Nutzungen in der näheren Umgebung vorhanden sind und welches konkrete Vorhaben verwirklicht werden soll.“ Auf der Basis solcher Informationen müssten dann Einzelfallentscheidungen getroffen werden.

Egal ob man nur einen Umbau oder sogar einen Neubau plant: In Gebieten, in denen ein Bebauungsplan existiert, sind dessen Vorgaben maßgebend. Der Bebauungsplan enthält etwa Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksflächen, zur Bauweise, zu Flächen für den Verkehr und zu weiteren Fragen.

„Manche Pläne legen fest, dass etwa nur Wohnbebauung zulässig sein soll, andere bestimmen etwa auch die Geschossflächenzahl“, sagt Rechtsanwalt Joachim Kloos, der ebenfalls in der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein tätig ist.

Ausnahmegenehmigung kann beantragt werden

Wenn der Plan auf eine regelungsbedürftige Frage keine Antwort gibt, gilt diesbezüglich die Baunutzungsverordnung. Aber auch wenn es keinen Bebauungsplan gibt, dann darf ein Bauvorhaben trotzdem nicht in Widerspruch zur vorhandenen Bebauung treten.

Die Erkenntnis, dass Bauvorhaben und Vorgaben des Bebauungsplans voneinander abweichen, bedeutet noch nicht das Aus für die Pläne des Bauherren: „Der Grundstückseigentümer sollte sich dann überlegen, eine Ausnahme oder Befreiung zu beantragen“, rät Voigtmann.

Wenn eine Ausnahme im Plan vorgesehen ist, dann hat der Plangeber an entsprechende Sonderlösungen gedacht. „Mit entsprechender Begründung wird eine solche Ausnahme in der Regel genehmigt“, so Kloos.

Auf Vorgaben der Gemeinde achten

Eine Befreiung ist immer dann nötig, wenn eine solche Abweichung vom Plangeber nicht vorgesehen war. Diese kann nur dann gewährt werden, wenn das Vorhaben die Grundzüge der Planung nicht berühren. „Diese Grundzüge sind ein sehr scharf gehandhabtes Instrument. Abweichungen müssen sehr gut begründet werden“, gibt Rechtsanwalt Kloos zu bedenken.

In traditionellen Gemeinden oder Ferienorten kann dem Bauherrn neben dem Bebauungsplan auch gemeindliches Satzungsrecht in die Quere kommen. „Durch städtebauliche Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen können Kommunen auf das örtliche Erscheinungsbild einwirken oder ein bestimmtes Stadtbild konservieren“, erläutert Kloos.

Manche Gemeinden schrieben etwa bestimmte Dachformen oder traditionelle Fassadengestaltungen vor. „Aber auch davon kann man sich befreien lassen“, so der Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

Neben baurechtlichen Bestimmungen müssen oft natur- und denkmalschützende Vorschriften beachtet werden: „Bei der nachverdichtenden Bautätigkeit in bestehenden Quartieren versuchen wir, wertvollen Baumbestand zu schützen“, sagt Cornelius Mager, Leiter der Lokalbaukommission der Stadt München.

Vor Beginn des Vorhabens gut informieren

Auch der Denkmalschutz spiele in einer Stadt wie München eine große Rolle: „Wir haben über 7000 Einzeldenkmäler und 75 Ensemblebereiche in der Stadt. Hier geht es uns um den möglichst unveränderten Substanzerhalt. Diese Gebiete eignen sich grundsätzlich nicht zur Nachverdichtung.“

Bauherren, die ein Vorhaben angehen wollen, rät Rechtsanwalt Kloos, auf dem Internetauftritt der Kommune alle gültigen Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen nachzuschauen, bevor man konkrete Entwürfe anfertigen lässt. Mit einem Antrag auf planungsrechtliche Auskunft erhält man beim zuständigen Bauamt Einblick in den Flächennutzungs- und Bebauungsplan und kann sich informieren, welche Vorgaben existieren.

Wer eine verbindliche Auskunft haben möchte, ob ein bestimmtes Vorhaben möglich ist, der sollte einen Bauvorbescheid einholen: Dieser erlaubt noch nicht, mit dem Bauen zu beginnen. Die Behörde gibt aber verbindlich Auskunft darüber, ob Details wie eine bestimmte Nutzung, Bauart oder Größe zulässig ist.

Wer ein ungewöhnliches und kreatives Projekt verwirklichen möchte, dem empfiehlt Verwaltungsrechtler Kloos, bereits in diesem Stadium einen Entwurfsverfasser einzuschalten, der in der Kommune schon Vergleichbares verwirklicht hat. „Es ist wichtig, dass die Behörde weiß, dass es sich nicht um ein Hirngespinst des Bauherren handelt. Wer einmal ein amtliches Nein bekommen hat, wird es schwer haben, davon wieder wegzukommen.“ (dpa)