Ratgeber: „Meine Rechte als Nachbar“

Verwilderter Garten

Unschön, aber nicht zu ändern: ungepflegter Vorgarten voller Unkraut. Foto: Konrad

 

VON ANETTE KONRAD

Laute Musik, überhängende Äste, ein übelriechender Komposthaufen, Frösche im Teich – es gibt viele Anlässe, sich über den Nachbarn zu ärgern. Der neu aufgelegte Ratgeber der Verbraucherzentralen „Meine Recht als Nachbar“ erläutert die Rechtslage und gibt Lösungstipps für typische Konflikte.

Verlockend sehen sie aus, die reifen Äpfel, die an einem Zweig von Nachbars Obstbaum hängen, der auf das eigene Grundstück ragt. Darf man sie einfach pflücken? Das ist nur eine der vielen Fragen rund um das Nachbarrecht, auf die Detlef Stollenwerk in seinem Ratgeber eingeht. In diesem Fall lautet die Antwort: Nein. Solange die Früchte am Baum hängen, gehören sie demjenigen, auf dessen Grundstück der Baum steht. Anders sieht es aus, wenn das Obst auf dem Boden liegt. „Nach Paragraf 911 BGB gelten Früchte, die von einem Baum oder einem Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallen, als Früchte dieses Grundstücks“, informiert Stollenwerk, der als kommunaler Praktiker mit den Problemen des Nachbarrechts vertraut ist.

Ist die Rechtslage hier eindeutig, sieht es etwa bei der Belästigung von Nachbarn durch Grillrauch anders aus. Hier kommt es, wie verschiedene Gerichtsurteile zeigen, immer darauf an, wo und wie häufig gegrillt wird. Grillt ein Nachbar gelegentlich auf einem „üblichen Hausgrill“ im Garten, handelt es sich dabei nicht um „eine wesentliche Beeinträchtigung“. Anders liegt der Fall, wenn mit einem Gartengrillgerät auf dem Balkon in einer Miet- oder Eigentumswohnung gegrillt wird. Das kann untersagt werden, denn die Nachbarn werden durch Rauch und Geruch belästigt. Das müsse von den Mitbewohnern nicht hingenommen werden, zitiert Stollenwerk ein Urteil des Amtsgerichts Wuppertal. Andere Gerichte beschränkten das Grillen auf einmal im Monat oder fünfmal im Jahr – je nach den räumlichen Gegebenheiten vor Ort.

Anzahl der Lärmschutzklagen ist steigend

Ein häufiger Anlass für Streiterein unter Nachbarn ist Lärm. Sie fühlen sich von spielenden Kindern, dem Rasenmäher oder dem ständig übenden Profimusiker gestört. Die Anzahl der Lärmschutzklagen sei steigend, berichtet Stollenwerk, was er auf die erhöhte Empfindlichkeit der Bürger, aber auch die dichter werdende Besiedlung zurückführt.

Gerade bei Kinderlärm, so erfährt der Leser, gibt es mittlerweile eine einheitliche Rechtsprechung, nach der dieser in der Regel werktags von 8 bis 20 Uhr hinzunehmen ist. Auch für Partylärm gibt es Regelungen. „Einen rechtlichen Anspruch auf eine lautstarke Party zum Beispiel einmal im Monat oder einmal im Jahr gibt es nicht“, räumt der Autor mit einer gängigen Fehlinformation auf. Eine gelegentliche Party im Garten ist in Ordnung, wenn sie um 22 Uhr oder in der Nacht auf Sonntag um 23 Uhr beendet ist.

Auch „pflanzliche Immissionen“, so der Fachbegriff für Laub, Blütenstaub und Unkrautsamen, sorgen oft für Unmut beim Nachbarn. Doch müssen sie in den meisten Fällen hingenommen werden. Selbst gegen ein verwildertes Grundstück können die Nachbarn meist nichts machen. „In der Regel wird ein Anspruch auf Säuberung des Nachbargrundstücks daran scheitern, dass eine wesentliche Grundstücksbeeinträchtigung durch den Unkrautflug nicht eintritt“, erläutert Stollenwerk. Daher seien auch viele Unterlassungsklagen erfolglos gewesen.

Autor plädiert für einvernehmliche Regelung

Stollenwerk greift in seinem Ratgeber noch viele weitere mögliche Streitquellen, darunter freilaufende Katzen, Wegerecht und Grenzfragen, auf. Diesem praktischen Teil vorangestellt ist ein Überblick über Grundfragen des Nachbarrechts. Im Prinzip, so schreibt er, könne ein Grundstückseigentümer mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren. Allerdings gibt es dann doch eine Vielzahl von Einwirkungen, die der Grundstückseigentümer hinnehmen muss. Die doch sehr trockene juristische Materie lockert Stollenwerk immer wieder durch Fallbeispiele auf. Symbole weisen auf die Rechtslage, Urteile, Stolperfallen, Checklisten und Musterbriefe hin und erleichtern die Orientierung im Buch.

Für die meisten Konflikte, die zwischen Nachbarn auftreten können, finden sich gesetzlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das sogenannte bürgerlich-rechtliche Nachbarrecht gilt für ganz Deutschland. Allerdings haben die Bundesländer die Möglichkeit für eigene landesrechtliche Regelungen genutzt. Diese betreffen vor allem Grenzabstände bei Pflanzen, die Anlage von Fenstern und Balkonen und das sogenannte Hammerschlag- und Leiterrecht.

Abschließend gibt Stollenwerk den Lesern Tipps, wie man bei einem Nachbarstreit am besten vorgehen sollte. Dabei plädiert er nachdrücklich für den Versuch, eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen und zunächst immer das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen.

Lesezeichen

Der Ratgeber „Meine Rechte als Nachbar“ hat 224 Seiten und kostet 14,90 Euro, als E-Book 11,99 Euro. Er kann online unter www.ratgeber-verbraucherzentrale.de oder unter Telefon 0211/38 09-555 bestellt werden.