Nachdem der Putz an der Fassade des Hauses in der Neustadter Rathausstraße abgeschlagen worden war, kamen erhaltenswerte, teils farbige Schmuckelemente aus Eichenholz zum Vorschein. Foto: Anke Wanger
VON ANKE WANGER
Noch steht es teilverhüllt und mit Gerüst, roh und staubig am Straßenrand. Doch zuversichtlich und mit Mut arbeitet sein neuer Besitzer an der Restaurierung des historischen Kleinods. Pasquale Marino ist glücklich, dass er die seit mehr als 30 Jahren unbewohnte Hausanlage in der Rathausstraße 48-50 in Neustadt erwerben konnte.
Per Zufall und dank des Internets, erzählt er. Begeistert ist davon auch Stefan Ulrich, Denkmalpfleger der unteren Denkmalschutzbehörde, der sich für den Erhalt des jahrhundertealten und ältesten dreigeschossigen Fachwerkbaus der Straße einen Eigentümer mit Fingerspitzengefühl gewünscht hatte, den er nun mit seiner ganzen Fachwerkerfahrung unterstütze. Mittlerweile bilde man eine sehr produktive Einheit, bestätigt Marino, was wichtig bei einer solchen umfassenden und herausfordernden Sanierung sei.
Das Neustadter Fachwerkhaus wurde im 16. Jahrhundert erbaut
Im Sommer des vergangenen Jahres habe er das Gebäude aus dem Jahr 1591 mit Anbau und Zugang zu einem Gemeinschaftshof gekauft, erzählt er. Eng ist die Rathausstraße in diesem Abschnitt bebaut, doch weit wird die Sicht über Dächer und Kirchturmspitzen Neustadts aus den Fenstern des obersten Stockwerks. Seit seinem Kauf enthülle er nun Schicht um Schicht die Hausgeschichte. „Das ist wie bei einem Überraschungsei“, meint Marino und lacht.
Nicht nur Fassadensanierung ist Ziel des Denkmalschutzes, sondern auch, Ausstattungsdetails im Inneren zu sichern. Immer wieder müsse man Kompromisse finden, erhalte im Gegenzug aber ein Gebäude, das einmalig sei. Nachdem der Putz abgeschlagen worden sei, den frühere Eigentümer großflächig über die gesamte Fassade aufgebracht hätten, habe man erkannt, dass erhaltenswerte, teils farbige Schmuckelemente aus Eichenholz vorhanden sind. Sie sollen nun restauriert und in historisch authentischer Handschrift malerisch ergänzt werden. Es habe sich aber auch gezeigt, dass das obere Stockwerk, bereits zur Straßenseite geneigt, bedroht gewesen sei, teilweise nach außen wegzubrechen.
Pfälzer Zimmerleute liefern ideenreiche Handwerkskunst
„Was meine Pfälzer Zimmerleute da geleistet haben, um das Gebäude zu sichern, war toll“, sagt Marino anerkennend. Denn mit Genehmigung des Denkmalschutzes habe man begonnen, die zur Straßenseite ausgerichtete Raumreihe mit großen Schraubzwingen nach innen zu ziehen, um sie dann durch einen gegengeschraubten Holzrahmen, der zur Innenwand werden soll, zu stabilisieren. Der entstehende Hohlraum zwischen Fachwerk und der inneren Wand könne dann isoliert und die ehemalige Außenansicht des Hauses wieder hergestellt werden, freut sich Ulrich.
„Ich muss immer vor Ort sein und die Arbeiten koordinieren“, erzählt Marino. Gute Organisation spare bares Geld. „Bei meinem Objekt vereinbaren die Firmen lieber einen Stundenlohn, als einen Festpreis“, sagt der Hausherr schmunzelnd. So trage er das Risiko von Sanierungsüberraschungen, weshalb er umsichtig von oben nach unten plane. Schon wegen der Unwetter sei die Dachsanierung vorangegangen. Biberschwanz-Ziegel hätten auch den Denkmalschutz zufrieden gestellt. Vorausschauend habe er bereits im vergangenen Jahr bestellt, sodass ihn derzeitige Lieferengpässe bisher nicht getroffen hätten.
Dort, wo Leitungen für Gas, Wasser und Strom bereits verlegt seien, könne er in Kürze beginnen, die Gefache zwischen den Holzbalken der Fachwerkwand mit Stroh, Geäst und bindendem Lehm für ein gesundes Raumklima auszubessern, bevor er an die Kalkanstriche gehe. Zwar überlasse er die Sanierung schon wegen der Gewährleistungen grundsätzlich Handwerkern. Hin und wieder packe er jedoch auch gern mit an, sagt der Eigentümer und hat trotz noch unwirtlicher Räume bereits wohnliche Bilder vor Augen. Er denke daran, möglicherweise in einem Jahr einen Teil der Fläche zu vermieten. Bis dahin soll auch der Ruß aus der Küche mit ihrem Kamin-Eck verschwunden sein und die „gute Stube“ wieder zum strahlenden Mittelpunkt des ersten Stockwerks, der „bel étage“ (französisch: schönes, weil bestausgestattetes Stockwerk), werden. So sei es laut Ulrich auch früher üblich gewesen.
Von Raum zu Raum ändert sich die Eintrittshöhe in die Zimmer. Keine Überraschung für Fachmann Ulrich, der Kaufinteressenten von historischen Gebäuden gerne auch bereits vor ihrer Kaufabsicht berät. Immer wieder seien von unterschiedlichen Eigentümern über die Jahrhunderte Reparaturen vorgenommen und dabei zum Beispiel neue Böden kurzerhand über die defekten Altbretter verlegt worden. Marino: „Wenn erst meine Sprossenfenster eingebaut sind, wird man sich bereits viel besser vorstellen können, wie wohnlich und gemütlich es einmal aussehen wird.“