St. Fronleichnam: Einzige Rundkirche im Bistum Speyer

Die katholische Fronleichnamskirche in Homburg  gilt als Juwel der Sakralbauten ihrer Zeit. Foto: Gilcher




VON KLAUDIA GILCHER


Es gab kein Vorbild für die Statik, keine Mauer für den Grundstein und obendrein explodierten auch noch die Kosten: Der Bau der Fronleichnamskirche in Homburg vor 60 Jahren war in vieler Hinsicht eine Herausforderung. Zwischenzeitlich wurde die Rotunde sogar in Brand gesetzt. Spenden halfen, das Gebäude zu retten. Der Lebenstraum des Architekten Herbert Lück bietet ein gewaltiges Raumerlebnis.


Wenn die  Täuflinge der  Pfarrei Heilig Kreuz über die Schwelle von St. Fronleichnam getragen werden, ist Andreas Jacob stets an ihrer Seite. „Und wenn wir dann den Raum betreten, spüre und höre ich oft, wie die Taufgesellschaft geradezu den Atem anhält“, erzählt der Priester, der 2020 aus Edenkoben nach Homburg kam. „Diese Kirche ist ein ganz besonderer Bau.“ Solche Worte  würden den 1970 gestorbenen Architekten Herbert Lück sicher freuen. Die Rundkirche  war die siebte und letzte Kirche, die er planerisch verantwortete: Ein Bau, der inspiriert vom Pantheon in Rom ebenso wie von einer runden Altarinsel unterm Zeltdach beim Eucharistischen Weltkongress 1960 in München den Gottesdienst zum künstlerischen Erlebnis steigern sollte. Eine Kirche, die nur aus einer Kuppel besteht. Die zwölf Tore des himmlischen Jerusalems in Beton gegossen auf dem Homburger Sonnenfeld.

Das ans  Gelände des Universitätsklinikums angrenzende  Sonnenfeld war in den 1950er-Jahren zu einem weiteren  Homburger Stadtteil entwickelt worden. Früh hatte sich die  Kirche in dem aufstrebenden Quartier ein  Grundstück  gesichert.  Ende 1959 gründete sich  ein  Kirchenbauverein, zwei Jahre später war aus der Kuratie eine selbstständige Pfarrei geworden. Im Mai 1962 wurde der Bauplatz geweiht und am 29. November 1964,  dem ersten Adventssonntag, vollzog der Speyerer Bischof Isidor Markus Emanuel die Weihe der neuen Kirche.  Sie war und ist die einzige Rundkirche im Bistum. Das Bistum Speyer bildet die frühere bayrische Pfalz in den Grenzen vor 1920 ab – so steht St. Fronleichnam zwar im Saarland, gehört kirchenrechtlich aber zu Speyer.

„Die Baukosten waren auf 650.000 D-Mark veranschlagt, am Ende waren es, ohne Orgel und Pfarrhaus, doppelt so viel, nämlich 1,3 Millionen. Dafür aber hatte man eine Kirche ohne Beispiel, ein Baujuwel der Kirchenarchitektur des 20. Jahrhunderts“, schreibt Heinz Weinkauf. Der Zweibrücker hat sich für das Saarpfalz Jahrbuch 2022 ausführlich mit der Baugeschichte der Rundkirche befasst. Sie sei die „damals vermutlich modernste Kirche Deutschlands“ gewesen, so Weinkauf. Viele Modelle hatten die Konstrukteure gebaut, bis die  Form insbesondere des frei stehenden Turms gefunden war.  


Anfangs war das Predigen in St. Fronleichnam ungewohnt


Das  „Baujuwel“ besteht aus einer von zwölf Säulen getragenen Kuppel  und dem Turm mit vier Glocken. Die farbigen Mosaike von zwölf halbrunden Glasfenstern von August Ludwig Deppe leuchten  auf Bodenhöhe, eine auf die Kuppel aufgesetzte Laterne streut Tageslicht von oben. Dort oben sitzen auch zwei breite Holzringe und über 3000 Zylinder aus gepresster Silanwolle. So löste Architekt Lück die akustischen Probleme des Raums, der wegen der Pandemie derzeit für maximal 120 Menschen bestuhlt ist. Die Sitzreihen bilden einen Kreis um den mächtigen Altar aus Muschelkalk, der   aus dem zu ihm abfallenden Boden im Mittelpunkt des Baus nach oben strebt. Auch die Orgel hinter der Kanzel fügt sich in die Kreisform.

 „Anfangs war es ungewohnt“, beschreibt  Priester Andreas Jacob  das Raumgefühl.  „Man hat während des Gottesdienstes viel mehr Kontakt zu den Menschen als in einem rechteckigen Bau.“  Unterm Altar liegt auch der Grundstein der Kirche. Bis er eingelassen werden konnte, liefen die Bauarbeiten schon fast ein Jahr: Denn in die Betonschale, für die es  statisch keine Vorbilder gegeben habe, durfte kein Stein integriert werden.  Gegen Verwitterung wird die Kuppel durch Aluminiumbleche geschützt. 1400 Quadratmeter Metall sind  verbaut.

 Die Konstruktion aus zwölf Säulen und ebenso vielen  Fenstern ist kein Zufall:  Die Säulen symbolisieren, so eine Kirchenschrift, die zwölf Apostel und die  inzwischen teils etwas beschädigten Fenster die Tore des himmlischen Jerusalems und gleichzeitig die Stämme Israels. Auch das  Kreuz über dem Altar wurde der Konstruktionsidee vom biblischen „Zelt Gottes unter den Menschen“ angepasst. Geformt aus Kupferrohr und einem Bergkristall schwebt es über allem, ohne Ecken, ohne Kanten.  

Nicht alle waren offenbar  von der  „faszinierenden Raumwirklichkeit“ (Heinz Weinkauf) begeistert. Am Abend des 23. Februar 1974, einem Samstag, legten Unbekannte an der Rückseite der Kirche Feuer. Nach den bis in den Sonntagnachmittag andauernden Löscharbeiten war die Sorge groß: Man befürchtete, dass die Kirche abgerissen werden müsse. Ein Gutachten gab Entwarnung, doch für die Restaurierung  musste  ein Millionenbetrag aufgewendet werden. Viele private Spender halfen.