Selbstauskunft Mieter: Notlüge nicht immer erlaubt

Besichtigungstermin Mietwohnung

Bei Wohnungsbesichtigungen sind meist viele Mietinteressenten vor Ort. Der Wettbewerb unter ihnen ist entsprechend groß. Foto: dpa

 

VON BERRIT GRÄBER

Mietinteressenten müssen dem Eigentümer viel über sich preisgeben und neuerdings sogar den Kontakt zum Vorvermieter ermöglichen. Sie müssen aber nicht jede Frage wahrheitsgemäß beantworten. Wann schwindeln erlaubt ist und Ehrlichkeit sein muss.

Jeder, der eine Wohnung sucht, kennt sie: Fingerdicke Fragebögen, mit deren Hilfe Vermieter versuchen, den optimalen Bewerber aus der Masse der Interessenten herauszupicken. Dabei sind Fragen nach Beruf, Einkommen, Schulden, Familienplanung und Haustieren beim Besichtigungstermin gar nicht erlaubt. „In der Praxis stehen aber immer Bewerber mit in der Schlange, die bereits ihre Schufa-Daten, eine Selbstauskunft und die Ausweiskopie dabei haben“, berichtet Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes in Berlin. Wer bei solcher Konkurrenz Antworten schuldig bleibt, ist meist von vornherein chancenlos. Seit Neustem müssen Bewerber auch die Kontaktdaten des Vorvermieters rausrücken, wenn der Eigentümer darauf besteht. Aber: Wohnungsinteressenten müssen nicht jede Frage wahrheitsgemäß beantworten.

Das sagt das Gesetz:

Vermieter haben ein berechtigtes Interesse zu wissen, wer in ihre Wohnungen und Häuser zieht. Deshalb nehmen sie oder beauftragte Makler und Verwalter die Mietinteressenten gern unter die Lupe, bevor sie einen Mietvertrag abschließen. Speziell in Ballungsräumen ist es üblich, Bewerbern einen Fragebogen vorzulegen, die Mieterselbstauskunft. Darin soll der Wohnungssuchende in der Regel offenlegen, was er beruflich macht, wie viel er verdient, wie es um seine Zahlungsmoral steht, ob er Kinder möchte oder ein Haustier. Die meisten Bewerber fühlen sich verpflichtet, sämtliche Fragen zu beantworten und selbst Persönliches offenzulegen. Dabei müssten sie – formaljuristisch – zunächst einmal gar nichts von sich preisgeben. „Ist jemand auf Wohnungssuche, hat der Vermieter in diesem Stadium keinen Anspruch darauf, bereits die Einkommensverhältnisse des Interessenten zu erfragen“, betont Ropertz. Erst, wenn er der Vertragsabschluss bevorsteht, darf er nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen oder der Schufa-Auskunft fragen. So sieht es das Bundesdatenschutzgesetz vor. Aber: „In der Praxis ist das nicht umsetzbar“, sagt Ropertz. Sprich: Wer im Rennen um eine Wohnung bleiben will, kommt um die Selbstauskunft nicht herum und muss den Fragebogen-Striptease schon bei der Besichtigung hinter sich bringen.

Das darf der Vermieter:

Das Fragerecht von Vermietern ist beschränkt und von der Rechtsprechung weitgehend geklärt. „Vermieter dürfen nur objektiv für den Mietvertrag beziehungsweise das Mietverhältnis relevante Fragen stellen, etwa solche nach der Identität des Wohnungsinteressenten oder nach seiner Zahlungsfähigkeit“, sagt Thomas Hannemann, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV). Das heißt: Vermieter dürfen sehr wohl abfragen, wie viel der Bewerber verdient, welchen Beruf er ausübt und wo er arbeitet. Außerdem erlaubt: Auskünfte einfordern über ein negatives Zahlungsverhalten, das in öffentlichen Schuldner- oder Insolvenzverzeichnissen dokumentiert ist. „Wir raten dazu, alle zulässigen Fragen rund um Einkommen und Beruf wahrheitsgemäß zu beantworten“, sagt Ropertz. Wer sein Einkommen schön rechnet und täuscht, muss mit der Kündigung rechnen, wie unter anderem das Landgericht Itzehoe klarstellte (Az.: 9 S 132/07). Ehrlichkeit ist außerdem ein Muss, wenn gefragt wird: Wer zieht ein, wie viele Personen werden in der Wohnung leben und wer ist das? Wer hierbei lügt und auffliegt, riskiert ebenfalls die Kündigung. Auch dann, wenn er stets pünktlich die Miete gezahlt hat.

Auch das muss jetzt sein:

Bislang war es unter Datenschutzaspekten umstritten, ob die Frage nach den Kontaktdaten des Vorvermieters beziehungsweise aktuellen Vermieters zulässig ist. Ja, ist sie, urteilte vor Kurzem das Landgericht Berlin (Az.: 63 S 163/17). Der Mieter in spe muss die Anschrift seines Vorvermieters rausrücken. Nach diesem Urteil ist Ehrlichkeit auch in der Frage ratsam, wenn der Neu-Vermieter wissen möchte, ob das bisherige Mietverhältnis störungsfrei lief. Oder wenn er beim alten Vermieter nachfragen will, ob der Grund für den Wohnungswechsel zutrifft. Wie Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Eigentümerverbands Haus & Grund München, berichtet, fliegen Schwindler jetzt leichter auf, die angeben, wegen Eigenbedarfs eine neue Wohnung zu suchen – in Wahrheit aber wegen erheblicher Zahlungsrückstände gekündigt wurden.
So manche Bewerber hätten schon bei der Besichtigung eine Vorvermieterbescheinigung dabei, der zufolge sie stets pünktlich gezahlt hätten, berichtet Ropertz. Vermieter dürften eine solche Bescheinigung allerdings nicht aktiv einfordern.

Das geht zu weit:

Fragen Makler oder Vermieter bei der Wohnungsbesichtigung so ganz nebenbei: „Wollen Sie eigentlich mal Kinder?“ darf der Interessent guten Gewissens „nein“ sagen – selbst wenn er schwindelt und tatsächlich Nachwuchs geplant ist. Solche persönlichen Angelegenheiten gehen den Eigentümer nichts an. Gleiches gilt, wenn in der schriftlichen Selbstauskunft gefragt wird: Haben Sie psychische Erkrankungen? Oder: Haben Sie Vorstrafen? Läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Sie? Sind Fragen des Vermieters zu privat, sind sie unzulässig. Interessenten dürfen dann tatsächlich schwindeln. „Wer lügt, wenn seine Persönlichkeitsrechte tangiert sind, hat keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten“, betont Ropertz. Der Wohnungssuchende muss außerdem nicht ehrlich sein, wenn er Mitglied einer Partei, einer Gewerkschaft oder im Mieterverein ist. Oder wenn er eine Rechtsschutzversicherung besitzt. Musikgeschmack und Hobbys sind ebenfalls Privatsache, die den Vermieter nichts angehen. Welcher Religion der Mieter angehört, darf höchstens ein kirchliches Wohnungsunternehmen abfragen. Wie in einem Bewerbungsgespräch gilt für die Selbstauskunft: Familienplanung, Krankheiten, Behinderungen und sexuelle Neigungen sind tabu.

Das gilt für Tierbesitzer:

Für Tierfreunde wichtig: Wer Kleintiere wie Kaninchen, Hamster oder Vögel hält, muss das nicht in der Selbstauskunft angeben. Sie dürfen jederzeit mit in die Wohnung. Offenheit ist dagegen Pflicht, wenn der Vermieter nach größeren Haustieren fragt. Wer mit Hund oder Katze einziehen will, muss den Eigentümer um Erlaubnis fragen. Dieser darf die Tierhaltung aber nicht generell verbieten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Sonst dürften auch Blindenhunde ausgeschlossen werden (Az. BGH VIII ZR 168/12), was nicht zulässig ist. Aber: Gefährliche Tiere wie etwa Kampfhunde muss der Vermieter generell nicht akzeptieren.