Rülzheim: Synagoge als Teil des kulturellen Zentrums

Die ehemalige Rülzheimer Synagoge (rechter Bau) ist heute in das Ensemble des „Centrum für Kunst und Kultur“ integriert. In der Hofpflasterung im Vordergrund ist der Grundriss der ehemaligen jüdischen Schule zu erkennen, die hier bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts noch stand. Foto: wip




VON HENNING WIECHERS


Vor 190 Jahren, im Februar 1831, beschloss die jüdische Kultusgemeinde von Rülzheim, eine neue Synagoge bauen zu lassen. Ende 1833 konnte dieser Neubau eingeweiht werden. Er diente der Gemeinde als Mittelpunkt des religiösen Lebens, bis 1938 die Pogromnacht dessen gewaltsames Ende einleitete. Anders aber als die jüdische Gemeinde überlebte deren Synagoge, wenn auch schwer in Mitleidenschaft gezogen. Heute ist sie Teil des Rülzheimer „Centrum für Kunst und Kultur“.


Die Rülzheimer jüdische Gemeinde – bereits 1667 wurden erstmals jüdische Einwohner im Dorf schriftlich erwähnt – entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einer der größten in der Südpfalz. Für 1857 sind 484 jüdische von insgesamt 2975 Einwohnern belegt, wie den Berichten zur Geschichte der Gemeinde und ihrer Synagoge zu entnehmen ist – nachzulesen etwa in Beiträgen von Karl Geeck, Bernhard Kukatzki und Rainer J. Bender zur 1991 erschienenen Rülzheimer Ortschronik. Wohl hatte es, zumindest seit dem frühen 18. Jahrhundert, eine kleine Synagoge oder ein Bethaus in der Kuntzengasse gegeben, die aber um 1830 für die immer größer werdende Gemeinde nicht mehr ausreichte. So kam es zu der Entscheidung für einen Neubau an gleicher Stelle.

Den Auftrag, sie zu planen, erhielt der damals sehr bekannte bayerische Architekt und später geadelte Hofbaurat August von Voit, dessen planerische „Handschrift“ in der Pfalz noch etliche weitere Synagogen, Kirchen und Rathäuser, aber unter anderem auch die Kaiserslauterer Fruchthalle tragen. Voit bescherte den Rülzheimern als Synagoge einen schlichten, rechteckigen, zweigeschossigen spätklassizistischen Saalbau mit flachem Satteldach, der Platz für 125 Männer und 75 Frauen bot. Eine hebräische Portalinschrift zitierte den Propheten Jesaja: „Öffnet die Tore, dass einziehe ein gerechtes Volk, welches die Treue bewahrt“.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude vergrößert und neu ausgestattet. Zur Kultusgemeinde gehörten inzwischen auch die in Kandel wohnenden Menschen jüdischen Glaubens. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl der Rülzheimer Gemeindeglieder dann wieder langsam ab, Anfang der 1930er-Jahre aber gab es immerhin noch rund 200 jüdische Bürger in Rülzheim. 1940 keinen mehr.


Wer die Zerstörung verhinderte, ist ungeklärt


Die Ausschreitungen, die in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 begonnen hatten,  erreichten die Synagoge am Vormittag des 10. November. Dabei wurden Fenster und Inneneinrichtung zerstört, das Dach in Brand gesetzt, Teppiche, Thorarollen, Thoravorhänge, Gebetsbücher, vier siebenarmige Leuchter, Kronleuchter und weitere Gegenstände gestohlen oder im Hof verbrannt. Das Gebäude wurde beschädigt, aber eine vollständige Brandschatzung blieb aus – ob der damalige Bürgermeister oder der Feuerwehrkommandant sie verhinderte und aus welchen Gründen das geschah, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Nach 1945 wurde die nunmehr „verwaiste“ Synagoge zunächst als Abstellraum genutzt, später diente sie als Treffpunkt der Rülzheimer Jugend. Denn 1953 verkaufte die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz sie für 10.750 D-Mark an die Katholische Kirchenstiftung Rülzheim, die das Haus zu einem Jugendheim umbaute. Einen weiteren Eigentümerwechsel gab es 1988, als die politische Gemeinde das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Gebäude erwarb. Sie machte es nach Renovierung zur Geschichts- und Begegnungsstätte, die 1991 eröffnet wurde.

Der jüngste Abschnitt im baulichen Werdegang begann 2011 mit der Planung für das neue Rülzheimer „Centrum für Kunst und Kultur“, das Rülzheimer Vereinen ein Zuhause geben und viel Raum für Veranstaltungen, Ausstellungen, Aufführungen bieten sollte. Dafür wurden zwei benachbarte Grundstücke von der Gemeinde angekauft und durch Abriss der dort vorhandenen Gebäude für die Neubebauung beziehungsweise völlige Neugestaltung der Umgebung der früheren Synagoge bereitet. Die wurde nun Teil eines Komplexes aus drei Gebäuden, die einen Hof umschließen, der weitere Möglichkeiten für Veranstaltungen bietet. Die Synagoge selbst ist dabei Raum für Veranstaltungen, „die nicht mit dem Charakter der Begegnungsstätte im Widerspruch stehen“, wie es die Nutzungsordnung vorsieht. So finden hier Konzerte, Theater, Ausstellungen, Ehrungen, Vorträge und,  sehr gern von Paaren genutzt, auch Trauungen statt.

Feierlich eingeweiht wurde das „Centrum für Kunst und Kultur“, dessen Realisation anfangs nicht unumstritten war und für das insgesamt knapp zwei Millionen Euro investiert wurden, am Muttertagswochenende 2014.