Kuseler Turnverein rettet geschichtsträchtige Halle

Einen neuen Außenanstrich soll die Vereinsturnhalle aus dem Jahr 1906  noch erhalten. Innen wurden historische Elemente wie die Empore erhalten. Ein Mix aus Weiß, Grau und Echtholz beherrscht die Atmosphäre.

Im Inneren der Vereinsturnhalle aus dem Jahr 1906  wurden historische Elemente wie die Empore erhalten. Ein Mix aus Weiß, Grau und Echtholz beherrscht die Atmosphäre. Foto: K. Gilcher

 

VON KLAUDIA GILCHER

Rund zwei Jahre lang haben sich die Prioritäten im Kuseler Turnverein verschoben. „Man könnte sagen, wir sind vorübergehend ein Kraftsportverein geworden“, sagt der die Geschäfte führende Vorsitzende Oliver Reis und lacht. Wegen Instabilität hatte  der mehr als  100 Jahre alten Halle der Abriss gedroht. Die Mitglieder  packten an. Jetzt wird wieder geturnt.

Eigentlich sollte nur die alte Heizung in der Vereinsturnhalle in der Kuseler Lehnstraße ausgetauscht werden. Doch als der Verein dafür Zuschüsse beantragte und ein Gutachter kam, folgte der Schock: Statisch sei die Halle nicht mehr sicher, ein weiterer Betrieb nicht möglich. „Stilllegen und trotzdem für die Standsicherheit zu sorgen, hätte Geld für nichts gekostet“, erzählt der zweite Vorsitzende Reis. „Ein Abriss ist auch teuer.   Und außerdem: Wir Turner brauchen ja eine Sportstätte, und unsere Halle ist  ein Stück Stadtgeschichte. Davon trennt man sich doch nicht. Deshalb haben wir uns entschieden, sie zu sanieren.“

Der Weg dahin war kräftezehrend, die Finanzierung schwierig und zwischendrin warf eine bis heute nicht aufgeklärte Brandstiftung die Aktiven ordentlich zurück – zeitlich wie emotional. „Das war ein Schock“, sagt Reis über jene Nacht im August 2018, die 60.000 Euro Schaden nach sich zog, bezahlt immerhin von der Versicherung.

670.000 Euro hat die Sanierung insgesamt gekostet, 268.000 davon flossen als Zuschuss aus der Sportstättenförderung. Der Verein brachte, auch dank einer Beitragserhöhung und einiger Spenden, 100.000 Euro Eigenkapital ein, 180.000 Euro wurden finanziert. „Der Rest sind Eigenleistungen im Wert von über 120.000 Euro“, sagt Reis.  „2250 Stunden.“ Was nicht selbst geleistet werden konnte, wurde fast komplett  von Firmen aus der Kreisstadt und den umliegenden Dörfern übernommen. „Dass die Aufträge vor Ort geblieben sind, freut mich besonders“, betont Dieter Fetzer, betreuender Architekt und selbst begeisterter Turner.

Die Geschichte des Turnvereins reicht bis 1868 zurück. „Angeregt durch die Gründung des Pfälzer Turnerbundes und das ersten Pfälzer Turnfest fanden sich Kuseler Bürger unter dem Motto ,frisch – fromm – fröhlich – frei‘ zusammen, um sich für den Gedanken des Turnens und der ,Leibesertüchtigung‘ stark zu machen“, heißt es in der Chronik. Die Stadt Kusel überließ den Turnern zunächst eine Parkanlage als Turnplatz, Ende des 19. Jahrhunderts stand mit einem provisorisch eingerichteten Brauhaus auch ein Turnraum zur Verfügung. 1906  wurde die eigene Halle gebaut – und bis fast zuletzt war sie außer  Turnsaal auch  Veranstaltungshaus. Der große Sohn der Stadt, der Tenor Fritz Wunderlich, sang dort, ebenso wie, deutlich später, Rockgrößen wie Uriah Heep. 

Deckenträger wie der Eiffelturm

Die Idee zur Turnhalle war schon 1888 aufgekommen, doch es fehlte an Geld. Um 1905 kaufte der Verein schließlich ein Grundstück, und 1907 wurde die neue Halle mit einem großen Turnfest eingeweiht, 1912 bereits angebaut. Die Kosten betrugen rund 40.000 Mark, nach heutigem Stand knapp 250.000 Euro.

„Turnvater“ Jahns Leitsatz „frisch, frei, fröhlich, fromm“ war im Altbau  allgegenwärtig: Das sogenannte Turnerkreuz, gebildet aus vier  horizontal und vertikal gespiegelten  F, schmückte nicht nur das Sandsteinportal, sondern auch den Terrazzoboden im Eingang und in den Hygieneräumen des Gebäudes. „Leider war der Boden in so einem schlechten Zustand, dass wir ihn nicht mehr erhalten konnten“, bedauert Architekt Fetzer. Nur ein Ausschnitt  hat überlebt: In Form einer Raute, ausgegossen mit Kunstharz und umgeben von einem Mosaik aus schwarzen Steinchen, schmückt das historische Turnerkreuz den Boden im neuen Foyer.

Auch das Tonnengewölbe – die Oberseite gegen den kalten Dachstuhl gedämmt mit Torf –   war noch unter den Verkleidungen erhalten, als die Sanierung der Halle nach vielen Zuschuss- und Finanzierungsbemühungen 2016 schließlich begann. „Doch auch das konnten wir nicht erhalten“, bedauert Fetzer. So wurden in Nachbarschaft zu den original vernieteten Stahlstreben des Dachstuhls – „wie beim Eiffelturm“, sagt Fetzer – zusätzliche Stahlträger eingezogen und die Decke  abgehängt.  In ihr verbirgt sich die Deckenheizung. Dimmbare LED-Leisten sorgen für perfektes Licht, neue Wandtäfelungen in Birkenholz schaffen eine warme Atmosphäre, graue Fenster sorgen für Kontrast. Und: „Es gibt endlich einen Geräteraum, den hatten wir nie“, sagt Fetzer.

Geblieben sind die Empore mit ihrem Bogenportal im Jugendstil und die Bühne. Für Veranstaltungen ist die Halle, wenn auch in kleinerem Rahmen als vorher, wieder zugelassen.

Die Turner sind stolz. „Die Stadt und die Turnhalle gehören einfach zusammen“, findet  Reis.