Später Neuanfang: So gelingt ein Umzug im Alter

Damit der Umzug entspannt abläuft, sollte man rechtzeitig entschieden haben: Was kommt mit und was kann weg? Foto: Christin Klose/dpa-tmn


Am Lebensabend noch einmal umziehen? Die Vorstellung kann für ältere Menschen der Horror sein. Dass sie sich dagegen sträuben, hat oft vor allem emotionale Gründe. Wie packt man es dennoch an?

So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen, das ist für viele ältere Menschen nach wie vor das Ziel. Ein Großteil von ihnen verbindet einen anstehenden Umzug vor allem mit Stress. Doch es geht anders.

Denn auch wenn der Umzug nicht aus Gründen der Selbstverwirklichung, sondern aus rein praktischen Motiven erfolgt, muss er längst kein Horrorszenario sein. Worauf kommt es an, damit nicht nur der Umzug, sondern auch der Neuanfang bestmöglich gelingt?

Lieber frühzeitig Gedanken machen

Wenn die Stufen hinauf zur Wohnung unüberwindbar scheinen und auch das Schmeißen des Haushalts zur immer größeren Herausforderung wird, beginnen viele ältere Menschen und ihre Angehörigen zu überlegen, ob nicht ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung oder in eine betreute Wohnform das Leben erleichtern würde.

Dadurch werde der Umzug allerdings oft negativ wahrgenommen, sagt die Psychologin Eva Asselmann. Nämlich als ein Hinweis darauf, dass man nicht mehr so fit und selbstständig ist, wie man sich das wünscht.

Wenn der Umzug dagegen noch nicht akut notwendig ist, lässt sich ein neutraleres Bild machen. Mit Blick auf die eigene Zukunftsplanung ist es ohnehin wichtig, sich rechtzeitig umfassend über mögliche Optionen zu informieren. Asselmann empfiehlt, sich schon relativ früh, mit 50 oder 60 Jahren, Gedanken zu machen, was einem im Alter wichtig sein könnte und wie man in 15 Jahren leben möchte.

„Wenn man noch fit ist, erscheint das Alter zwar in weiter Ferne, aber es kann auch beruhigend sein, so früh zu planen“, sagt sie.

Emotionaler Widerstand gegen praktische Gründe

Der Alternsforscher Prof. Frank Oswald forscht seit rund 20 Jahren zu Entwicklung, Lebensqualität und Wohnen im höheren Alter. Er bestätigt die Empfehlung, die Asselmann gibt: „Es macht auf jeden Fall Sinn, sich früh und möglichst angstfrei mit dem Thema Wohnen im Alter auseinanderzusetzen und sich vorzubereiten.“

Doch auch wenn wir wissen, was gut für uns wäre, tun wir es oft nicht, ganz unabhängig vom Lebensalter. „Wir Menschen warten häufig ab, was geschieht und dann reagieren wir“, sagt Oswald. Immerhin seien wir im Reagieren recht gut – auch noch im höheren Alter.

Für die Psyche kann ein Umzug am Lebensabend belastend sein. „Je älter Menschen werden, desto schwieriger werden Veränderungen für sie“, erklärt Sabrina Odijk, die das Soziale Ehrenamt beim Malteser Hilfsdienst leitet. Gerade alte Menschen vertrauen viel auf Routinen, insbesondere wenn noch eine Demenz hinzukommt. Ein kompletter Neuanfang kann daher oftmals verunsichern.

Dazu kommt: Wer schon lange an einem Ort wohnt, ist oft stark gebunden an sein Zuhause, die Umgebung und die Nachbarschaft oder die Gemeinde. Während also praktische Gründe für einen Umzug sprechen mögen, regt sich emotional oft noch großer Widerstand dagegen.

„Umzüge gelten generell als kritische Lebensereignisse, die mit viel Umstellung verbunden sind“, sagt der Psychologe und Alternsforscher Prof. Hans-Werner Wahl.

„Wohnen im weitesten Sinne ist mehr als Alltagshandeln und Ausstattung, es ist immer auch mit einer emotionalen Geschichte verbunden“, sagt Frank Oswald. Für die Betroffenen fühlt sich die Situation meist anders an, als sie von außen betrachtet erscheinen mag. Emotionale Bindung ist nicht so sichtbar wie Barrieren.

„Einige ältere Menschen gehen aus Gründen der Verbundenheit lieber das Risiko ein, etwa auf ihrer Treppe zu stolpern, als diese Treppe umzubauen oder sich gar vom dazugehörigen Zuhause zu trennen“, sagt Oswald. Angehörige sollten die Verbundenheit ernst nehmen.

Vorteile und Nachteile gemeinsam abwägen

Am besten setze man sich gemeinsam hin und schreibe eine Liste mit allen Vor- und Nachteilen auf, rät Hans-Werner Wahl.

Eine „wohlgemeinte Überfürsorglichkeit“ könne indes schnell dazu führen, dass sich die ältere Person entmündigt fühlt, warnt Sabrina Odijk. Selbst bei kognitiv beeinträchtigten Menschen sei es wichtig, einen partnerschaftlichen Umgang zu wahren, sagt Wahl – damit die ältere Person Teil des Geschehens bleibe.

Fühlt man sich bei den wichtigen Entscheidungen zum Umzug gut eingebunden, gelingt womöglich auch die Anpassung an den neuen Ort besser. Besonders bedeutsam ist dabei, wie aktiv man vor Ort am Leben teilhaben könne, sagt Psychologin Asselmann.

Mit neuem Wohnort beschäftigen

Denn eine barrierefreie Wohnung bietet zwar eine wichtige Grundlage, bringt aber nur wenig, wenn die Umgebung nicht passt. Wie weit ist es zum nächsten Supermarkt und zur Apotheke? Welche Seniorentreffs und Freizeitangebote gibt es? Sind Familie und Freunde gut erreichbar? Wer sich möglichst viel und oft mit dem neuen Wohnort beschäftigt, kann dadurch neue Sicherheit gewinnen.

Ein erfolgreiches Ankommen beginnt schon beim Abschiednehmen von der alten Heimat, sagt Alternsforscher Oswald. Besonders wenn der Umzug mit einer Verkleinerung einhergeht, muss man sich von vielen liebgewonnen Gegenständen trennen. Was wichtig ist, kann man nur selbst entscheiden – nicht die Angehörigen. Oft zählt nicht der materielle Wert, sondern die emotionale Verbundenheit. Beim Entrümpeln sollte man sich, wenn es geht, unbedingt aktiv einbringen – die Angehörigen sollten hier darauf achten, dass das nach Möglichkeit geschieht.

Ankommen beginnt beim Abschiednehmen

Am besten ist es, wenn man selbst schon einige Wochen im Voraus beginnt, zu sortieren: Was kann weg und was muss mit? Wohnberater, die auf Seniorenumzüge spezialisiert sind, können bei diesem Prozess gegebenenfalls professionelle Unterstützung bieten.

Das Aussortieren von Gegenständen fällt oft leichter, wenn ein Großteil nicht auf dem Sperrmüll landet, sondern weiterverschenkt oder für einen guten Zweck gespendet werden kann. Statt rigoros zu entsorgen, rät Hans-Werner Wahl, sich bewusst Zeit für den Abschied zu nehmen und sich beispielsweise vor Augen zu führen, welche Rolle ein treues Möbelstück im Leben gespielt habe.

Ein weiterer Tipp von Wahl lautet: „So eine kleine ,Umzugsfeier‘, vielleicht auch noch mit gemeinsamen Essen, kann helfen, um sich abzunabeln.“ (dpa)