Architektenhonorar: Alte Verträge, alte Regeln

Für Honorare für Architekten galt lange eine verbindliche Honorarordnung. Mittlerweile können die Honorare frei verhandelt werden.  Foto: Kai Remmers/dpa-tmn




Wer einen Architekten beauftragt, muss ihn auch bezahlen. Honorare sind zwar inzwischen Verhandlungssache. Aber gilt das auch für ältere Verträge?


Seit Anfang 2021 ist die angepasste Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in Kraft. Demnach müssen sich die Honorare für planende Berufe nicht mehr in einem festen Rahmen von Mindest- und Höchstsätzen bewegen. Sie sind seitdem frei verhandelbar.

Offen blieb die Frage, ob dies auch für Verträge zwischen Privatpersonen gilt, die vor dem 31. Dezember 2020 geschlossen wurden. Doch auch das ist mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nun geklärt (Rechtssache C-261/20).


Was hat der EuGH entschieden?

Das Gericht hat festgestellt, dass nationale Gerichte die europarechtswidrigen Mindestsätze der HOAI 2013 zwischen Privatpersonen grundsätzlich weiter anwenden dürfen. Denn die EU-Vorgaben haben keine unmittelbaren Wirkungen für Verträge zwischen Privatpersonen, sondern verpflichten grundsätzlich nur die Mitgliedsstaaten der EU. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den EuGH angerufen, diese Frage zu klären.

Experten hat das überrascht: „Wir hatten erwartet, dass der EuGH die Mindestsätze der HOAI auch für ältere Verträge für unwirksam erklären würde“, sagt Rechtsanwalt Professor Frank Siegburg von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein.


Was bedeutet das konkret für die vor 2021 abgeschlossenen Verträge?

Das kann zusätzliche Kosten zur Folge haben. „Wenn darin Pauschalhonorare vereinbart wurden, die unter dem Mindestsatz liegen, wären diese unwirksam und der Architekt oder Planer kann den Mindestsatz der HOAI verlangen“, erklärt Siegburg. Ein Beispiel: Wurden 50.000 Euro Honorar vereinbart, der Mindestsatz beträgt aber 100.000 Euro, müsste der Auftraggeber 50.000 Euro nachzahlen.

Der Architekt kann mittels einer sogenannten Aufstockungsklage unter Berufung auf das verbindliche Preisrecht der HOAI die Unwirksamkeit einer Honorarvereinbarung wegen Unterschreitens des Mindestsatzes gegen den Bauherren geltend machen.


Hat das Folgen für neue Verträge, die seit dem 1. Januar 2021 abgeschlossen wurden?

„Nein, da gelten vollständig die Regeln der neuen HOAI, die seit Januar 2021 in Kraft sind“, sagt Volker Schnepel, stellvertretender Geschäftsführer und Justiziar der Bundesarchitektenkammer. „Es gibt kein verpflichtendes Preisrecht mehr, an das sich Bauherren und Architekten halten müssen.“ Deshalb können die Honorare im Grundsatz frei verhandelt werden.

Das bedeutet, dass beide Parteien auch Honorare unterhalb und oberhalb des Honorarkorridors der HOAI vereinbaren können. „Aber die Honorare, die innerhalb der HOAI-Honorarspannen liegen, sind diejenigen, die der Gesetzgeber in jedem Fall als angemessen ansieht. Damit soll es einen Ansatzpunkt geben, dass kein ruinöser Preiswettbewerb stattfindet.“

Auch die neue HOAI 2021 gilt unverändert, sagt Volker Schnepel. Sie beruht auf dem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2019. Anlass und Grund für die Änderung der HOAI war damals die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gegen das Europarecht verstößt. Darauf musste die Bundesregierung reagieren und sie hat die HOAI vom zuvor verbindlichen Preisrecht in eine Honorarorientierung umgewandelt.


Sind Bauherren mit Altverträgen einer Aufstockungsklage schutzlos ausgeliefert?

Laut EuGH können die Parteien in bestimmten Fällen auf Schadenersatz vom Staat hoffen. Jedes EU-Land müsse sicherstellen, dass Einzelnen ein Schaden ersetzt werde, der wegen Verstößen gegen europäisches Recht entstanden sei. Nach Ansicht von Rechtsexperten wird es aber schwer sein, diese Ansprüche durchzusetzen. „Das ist ein steiniger Weg, dessen Ausgang völlig unklar ist“, meint  Frank Siegburg.

Auch Volker Schnepel hat Zweifel: „Inwieweit sogenannte Amts- oder Staatshaftungsansprüche tatsächlich aussichtsreich sein könnten, ist schwer einzuschätzen.“ Der EuGH habe die Möglichkeit solcher Entschädigungen angedeutet. In Betracht zu ziehen wäre dies in erster Linie für diejenigen, die aufgrund der Anwendbarkeit der Mindestsätze bei Altverträgen zu Nachzahlungen verurteilt werden.

„Denn man könnte argumentieren, dass es die verbindlichen Mindestsätze eigentlich nie hätte geben dürfen“, sagt Schnepel. „Ob das letztlich trägt, kann man aber bezweifeln. Denn zumindest bis zum EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019 konnte und musste jeder davon ausgehen, dass die verbindliche HOAI anzuwenden ist. Sie war geltendes Recht.“


Wie geht es nun weiter?

Auf Grundlage des Urteils des EuGH muss der BGH zunächst selbst eine Entscheidung in dem laufenden Verfahren treffen (Az.: VII ZR 174/19). Wenn die Entscheidung vorliegt, besteht für die Praxis die Klarheit darüber, wie mit den Altfällen zu verfahren ist.

„Nach meiner Einschätzung sind davon Hunderte Rechtsstreitigkeiten betroffen, die bereits bei den Instanzgerichten anhängig sind oder in Altfällen noch anhängig gemacht werden sollen“, sagt  Frank Siegburg. Aufgrund des Urteils des EuGH dürfte Siegburg zufolge damit zu rechnen sein, dass der Bundesgerichtshof der ihm vorliegenden Aufstockungsklage des Architekten/Ingenieurs stattgeben wird. Mit einer Entscheidung des BGH kann noch in diesem Jahr gerechnet werden. (dpa)