Kirrweiler: Vinothek des „Weinhaus Anton“ als Kontrapunkt

Hinter dem Altbau und Familiensitz der Antons wurde 2012/2013 das Wirtschaftsgebäude errichtet, in das die Vinothek integriert wurde. Das kubische Element wurde scheinbar schräg in den Anbau „eingeschoben“. Foto: Wiechers




VON HENNING WIECHERS

Zitronen, Oleander und Palmen säumen auch im November noch das Entree des Kirrweilerer Weinguts „Weinhaus Anton“. Und sie geben dem Gebäudeensemble, das den Hof umgibt, über den Gäste und Kunden zum Eingang gelangen, südländisches Flair. Das entschärft in gewissem Maß die scheinbaren architektonischen Gegensätze, die das Ensemble zeigt – links das alte Wohnhaus der Familie Anton, rechts der scheinbar schräg in den neuen Wirtschaftsanbau geschobene, kubische Probierbereich der Vinothek mit den Panoramafenstern, die den Blick auf die Weinberge eröffnen, und seine einladende Terrasse.


Im kommenden Jahr kann sie ihren zehnten Geburtstag feiern. Die „Schuhschachtel“, wie der Diplom-Designer und Innenarchitekt Thomas Blinn aus dem badischen Weingarten, der die Idee zur auffälligen Form des Probierbereichs der Anton’schen Vinothek hatte, sie selbst mal genannt hat, wurde 2013 gebaut, berichtet Simone Anton. Ihr Mann Ralph, dessen Eltern 1965 zunächst eine Brennerei gründeten und sich fünf Jahre später auch dem Weinbau zuwendeten, übernahm den Betrieb im Jahr 2004 in zweiter Generation.

2008 starteten Ralph und Simone Anton mit der Errichtung einer eigenen Kellereihalle die bauliche Erweiterung des Betriebs, 2012 wurde ein eigener Anbau für Büros und Funktionsräume in Angriff genommen – und mit ihm die Planung einer neuen Vinothek mit Entree und Verkaufstheke, die die alte, in den 1970er-Jahren in Betrieb genommene Probierstube ersetzen sollte. Die Ideen von Thomas Blinn zur Gestaltung dieser neuen Vinothek seien bei ihnen sofort auf fruchtbaren Boden gefallen, berichtet Simone Anton. Auch wenn sie längere Gespräche über die Spannung, die ein derart geformtes Element in das Gesamtensemble bringen würde, geführt hätten, hätten sie sich bald zu dessen Realisation entschlossen, die Blinn dann in Zusammenarbeit mit dem Edesheimer Architekten Peter Rheinwalt umsetzte.

Entstanden ist dabei neben dem eingeschossigen Probierraum, der 45 Gästen Platz auf farbig gepolsterten hellen Eichenholzstühlen an ebenso hellen Eichenholztischen bietet, ein unterkellerter Empfangsbereich, den im Parterre Regale aus dem Holz einer alten Kelter und ein ebenfalls aus der Kelter stammender massiver Eichenholzbalken am Eingang prägen. Auffälligstes Element hier ist aber die Theke aus Eichenholzbohlen vor einer mittig stehenden, konkav gebogenen Wandscheibe, die den Empfang von den dahinter liegenden Büros und Funktionsräumen abtrennt. Drei vor der Theke in den Boden eingelassene Glasscheiben eröffnen den Blick auf das Untergeschoss. Das ist über eine raffiniert beleuchtete geschwungene Treppe zu erreichen und birgt neben einem Lager von Holzfässern einen weiteren kleineren Gästebereich, der mit Stehtischen ausgestattet werden kann. Als Blickfänge finden sich hier beleuchtete Wandnischen mit einzelnen besonderen Weinflaschen.


Auszeichnung erhalten und Anerkennung gefunden


Die neue Vinothek fand Gefallen bei den Kundigen der Branche: So wurde sie vom Deutschen Weininstitut zu den „Top 50 Vinotheken Deutschlands“ gezählt. „Einer klaren Linie folgend, schuf Innenarchitekt Thomas Blinn ein aufregendes Gemenge von Beton bis Lehmputz“, heißt es in der „Laudatio“ des Instituts. Beim bundesweit ausgeschriebenen Architekturpreis Wein 2016 wurde die Vinothek mit einer Anerkennung gewürdigt: „Gebäude und Interieur sind sorgfältig durchdacht und heben sich positiv von der direkten Umgebung ab“, urteilte die Jury.

Thomas Blinn selbst schrieb in seiner Vorstellung der Vinothek: „Ein klares Statement der Winzerfamilie, hier werden nicht nur Traditionen gehegt sondern auch zukunftsfähige Ideen verfolgt.“ Das unterstreichen Simone und Ralph Anton voll und ganz, und Ralph Anton fügt an: „Wir wollen das Kulturgut Wein in den Mittelpunkt rücken, den Weineinkauf zum Erlebnis werden lassen und gleichzeitig die Bodenständigkeit der Familie und des Weinguts zum Ausdruck bringen.“

Sie räumen ein, dass sie anfangs sehr gespannt auf die Reaktionen der Kunden waren und auch ein wenig skeptisch, wie die langjährige Stammkundschaft die neue Vinothek annehmen würde. Einige Kunden hätten befürchtet, dass die Weinpreise durch den Neubau nach oben schießen würden, verrät Ralph Anton. Aber die Zweifel sind inzwischen längst Geschichte. Das bauliche „Wagnis“ habe sich gelohnt. Und es sei auch ein Anschub dafür gewesen, zu besonderen Veranstaltungen in den Räumen einzuladen. So gibt es jahreszeitliche Events – wie demnächst einen kleinen voradventlichen Markt oder zuletzt herbstliche Genusswochen. Aber im Vordergrund bleibt immer die Funktion der Räumlichkeit als Probier- und Verkaufsraum für die Produkte des rund 15 Hektar Rebfläche bewirtschaftenden Weingutes und der Brennerei Anton, wie Simone Anton betont.