Der Wert eines Hauses hängt von vielen Faktoren ab. Zustand und Lage sind zum Beispiel wichtige Kriterien. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn
Es herrschen goldene Zeiten für Immobilienverkäufer. Vor allem in Ballungsgebieten werden ihnen Häuser förmlich aus den Händen gerissen. Aber was ist der richtige Wert für die eigenen vier Wände? Experten geben Tipps zur Immobilienbewertung.
Immobilienpreise sind seit Jahren nicht nur stabil. Sie klettern in vielen Gegenden sogar jedes Jahr verlässlich. Jetzt könnte also genau der richtige Zeitpunkt für den Verkauf der eigenen vier Wände sein. Aber viele Eigentümer fragen sich: Was ist meine Immobilie eigentlich wert? Welchen Preis kann ich aufrufen?
Es gibt Eigentümer, die denken sich: Ich habe vor 30 Jahren umgerechnet 300.000 Euro für Haus und Grundstück bezahlt, das will ich jetzt mindestens wieder haben. So sollte man aber nicht herangehen, meint Fachbuchautor Werner Siepe. Er empfiehlt, den Immobilienkauf aus der Sicht des Käufers zu betrachten. Die richtige Frage wäre deshalb: Was ist meine Immobilie heute wert? Das kann weniger, aber auch viel mehr sein als damals.
Käufer sind preissensibel
„Auch wenn es Interessenten gibt, die vermeintlich jeden Preis zahlen würden, empfiehlt es sich, den Wert realistisch einzuschätzen“, sagt Norman-Marcel Dietz, Leiter des Regionalbüros Hildesheim des Verbands Privater Bauherren (VPB). „Denn auch in einem aufgeheizten Markt sind die meisten Käufer preissensibel und schauen sich genau an, was sie kaufen.“ Eine Immobilie kann auch schnell wegen einer überzogenen Preisforderung zum Ladenhüter werden.
Entscheidend für den erzielbaren Preis ist immer die Lage der Immobilie. Ins Gewicht fallen auch Baujahr, Wohnfläche und die erwartete Restnutzungsdauer, so Norman-Marcel Dietz. Grundlage für den Wert des Grundstücks ist der Bodenrichtwert. „Die Bodenrichtwerte kennen in den letzten Jahren an den meisten Orten nur eine Richtung, nach oben“, beobachtet der Experte. „Und damit steigt automatisch auch der Wert der Immobilien, unabhängig von ihrem Zustand.“
Eigentümer überschätzen Wert mitunter
Dabei sind Ausstattung und Zustand der Immobilie für den Käufer extrem wichtig. „Bei renovierungsbedürftigen Häusern ist häufig die Energiebilanz schlecht. Das muss sich natürlich auf den Kaufpreis auswirken“, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen.
Gerade Verkäufer, die jahrzehntelang in ihrem Haus leben, überschätzen gern den Zustand der Immobilie und damit ihren Wert. Sie berücksichtigen nicht, dass für den Käufer zusätzlich zum Kaufpreis teure Renovierungen und dringende Modernisierungen anfallen.
Einen ersten Überblick und ein Gefühl für einen realistischen Preis bekommen potenzielle Verkäufer am besten, indem sie sich anschauen, wie ähnliche Immobilien in ihrer Straße oder ihrem Viertel verkauft wurden. Auch eine Internetrecherche kann helfen, Immobilienportale geben Orientierung.
„Bei den großen Portalen kommt man zu guten Ergebnissen, wenn man die Adresse der zu verkaufenden Immobilie unter ,Kauf‘ eingibt und dann nach Häusern beziehungsweise Eigentumswohnungen in fünf bis zehn Kilometern Entfernung sucht“, sagt Werner Siepe. Annabel Oelmann empfiehlt, sich auch die Homepages ortsansässiger Immobilienunternehmen anzusehen.
Kostenlose Wertermittlungen haben oft Haken
Vorsicht ist bei kostenlosen Wertermittlungen im Netz angebracht. „Juristisch haltbare Bewertungen sind nicht umsonst zu haben. Die Frage ist also, worum geht es dem Anbieter des kostenlosen Angebotes? Kundendaten, Kontakte und Objektinformationen? Hinter solchen Angeboten im Internet steht in der Regel immer ein finanzielles Interesse“, sagt Annabel Oelmann.
„Es gibt sogar Anbieter, die Immobilienpreise von vielen Häusern in Deutschland veröffentlichen, ohne die Eigentümer zu informieren“, sagt Norman-Marcel Dietz. „Man kann im Netz sein eigenes Wohngebiet aufrufen und findet dann Preisschilder als Von-Bis-Spannen, die gewissermaßen an den Häusern kleben. Egal, ob sie verkauft werden sollen oder nicht.“
Der Sachverständige für Wertermittlung hält diese Preise jedoch für wenig aussagekräftig. „Da werden zentrale Gebäudeeigenschaften wie zum Beispiel Grundstücksgröße, Baujahr und Wohnflächen meist nur geschätzt. Solche Schätzpreise sagen dann über den wahren Wert und den Zustand der Immobilie wenig aus.“
Verkehrswert ist gute Größe
Wer genau wissen will, was seine Immobilie wert ist, sollte den klassischen Weg gehen und den Verkehrswert bestimmen. „Das ist ein Als-ob-Marktpreis, mit dem man sich dem am wahrscheinlichsten zu erzielenden Kauf- beziehungsweise Verkaufspreis annähert“, so Siepe.
„Bei selbst genutzten Immobilien wird in Deutschland in der Regel zur Bestimmung des Verkehrswerts der Sachwert ermittelt“, sagt Annabel Oelmann. Dabei werden die Baukosten für die gesamte Immobilie geschätzt. Diese Kosten werden dann mit dem Bodenwert addiert. Zudem wird ein eventuell vorhandener Abnutzungsverlust geschätzt und mitberechnet.
Sachverständigengutachten meist nicht erforderlich
„Dieses Verfahren ist aber relativ aufwendig. Einfacher ist die Vergleichswertmethode, die den Wert anhand der real erzielten Preise von Vergleichsobjekten ermittelt“, ergänzt sie. Allerdings seien nicht immer ausreichend viele Immobilien oder Grundstücke vorhanden, die zum Vergleich herangezogen werden können.
Ein Wertgutachten von einem Sachverständigen, der den aktuellen Verkehrswert ermittelt, ist aber nicht bei jedem Immobilienverkauf notwendig. Es wird nur dann gebraucht, wenn der Immobilienwert rechtliche Relevanz hat, also zum Beispiel bei Erbfällen, Streit in Erbengemeinschaften, Scheidungen oder zur Berechnung der Erbschafts- und Schenkungsteuer. „Ein vom Verkäufer in Auftrag gegebenes Wertgutachten kann sogar kontraproduktiv sein. Denn Kaufinteressenten schließen gern auf ein Gefälligkeitsgutachten“, warnt Immobilienexperte Werner Siepe. (dpa)